Der Asphalt als Freiraum: Der öffentliche Raum in Wien lädt bis Samstag zur Aneignung ein.

Foto: Christian Fürthner / MA 48

Die meisten Leute haben keine Ahnung, was der Begriff öffentlicher Raum bedeutet", sagt Eugene Quinn. "Wir wollen das sichtbar machen. Los geht's!" Mit seiner knallorangenen Arbeitshose ist der Londoner Wahlwiener, der sich mit der Vienna Ugly Tour einen Namen gemacht hat, auch im Touristengewirr auf dem Stephansplatz sofort auszumachen. Ihm zur Seite steht Barbara Slotta von der Magistratsabteilung 18. Beide haben zum zweistündigen Spaziergang geladen, als Auftakt des von ihnen mitorganisierten Festivals "#kommraus – Forum Öffentlicher Raum", das am Donnerstag begann und bis Samstag dauert.

82 Programmpunkte, 18 Work- und Walkshops, 24 Spaziergänge. Rund 3000 Teilnehmer werden erwartet. Auf dem Gehsteig vor der Oper wird die Fledermaus aufgeführt, woanders gibt es Livemusik, oder es darf auf der Straße Brot gebacken werden. Ein Architekt aus Damaskus zeigt, welche Orte Geflüchtete frequentieren und warum, das Filmmuseum zeigt Filme zum öffentlichen Raum in Wien von 1896 bis heute, vom Ottakringer Amateurkrimi aus den 1930er-Jahren bis zu James Bond.

Der Soundtrack der Stadt

Klingt nach reichlich Rambazamba? Ja, bekräftigt Eugene Quinn, das soll es auch. "In London hört man überall den neuesten Hit von irgendwo. Das vermisse ich im ruhigen Wien oft. Der Stadt fehlt der Soundtrack!" Quinn selbst wird beim Festival mit jedem, der interessiert (und gut trainiert) ist, alle 23 Bezirke am Stück erwandern.

Hashtag, Dialogwalk und Popwalk: Das Programmvokabular signalisiert auch den Generationswechsel in den Wiener Magistratsabteilungen, die immer weniger mit dem Klischee des kettenrauchenden, grantigen Beamten zu tun haben. Das für viele immer noch kafkaeske Gewirr der zahllosen Magistratsabteilungen soll beim Festival sein freundliches Gesicht zeigen. Motto: Keine Angst vor der Bürokratie! "Es ist immer besser, wenn man die Person hinter der Telefonnummer kennt", sagt Barbara Slotta. Auch 17 der 23 Bezirksvorstehungen sind eingebunden. Die Organisatoren sind selbst erstaunt über die Resonanz. "Alle Personen und Amtsstellen haben großes Interesse gezeigt", freut sich Slotta.

Zwei Walkstunden später. Slotta und Quinn auf dem Columbusplatz. Ein Betonpodium, daneben eine eher traurig verkrautete Grünfläche.

Kampf der Überhitzung

Grundlage ist das 2018 von der Stadt Wien als Teil des Stadtentwicklungsplans STEP 2025 beschlossene Fachkonzept öffentlicher Raum. Maßnahmen gegen Überhitzung, 10.000 neue Bäume, 800 neue Bänke und 400 neue Spielangebote sollen bis 2025 realisiert werden. Wie es bei solchen Konzepten üblich ist, bekommt die Öffentlichkeit davon kaum etwas mit.

"Deswegen wollen wir es auf die Straße bringen, damit es nicht in der Schublade verstaubt", sagt Barbara Slotta. Vier Aspekte des Fachkonzepts werden beim Festival hervorgehoben: Spielen, Verweilen, Schatten und Wasser.

Bleibt zu hoffen, dass das gut durchdachte Programm nicht in der Flut der Übereventisierung des öffentlichen Raums als einfaches Straßenfest untergeht. (Maik Novotny, 17.5.2019)