Physiker und Wissenschaftsvermittler Werner Gruber ist sich sicher: "Wissenschafter werden dank 'The Big Bang Theory' heute anders gesehen – wahrscheinlich positiver."

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Das Zusammenleben von sechs Wissenschaftsnerds und eine Kellnerin sorgten in der Sitcom zwölf Jahre lang für ziemlich intelligente Unterhaltung.
Warner/ORF

Beginnen wir, wie es sich für Wissenschafter gehört, mit den Fakten: Ein Experimentalphysiker (Dr. Leonard Hofstadter) und ein theoretischer Physiker (Dr. Sheldon Cooper) bilden eine Wohngemeinschaft. Mit ihren zwei besten Freunden – einem Techniker (Howard Wolowitz) und einem Astrophysiker (Rajesh Kootkrappali) – stehen sie alle möglichen Probleme der Adoleszenz durch, mit denen echte Nerds so zu kämpfen haben.

Zu diesem Quartett gesellen sich eine Neurobiologin (Amy Farrah Fowler) und eine Mikrobiologin (Bernadette Rostenkowsky). Gestört wird die wissenschaftliche Peer-Group von einer Kellnerin (Penny Hofstadter), die über keine einschlägige Ausbildung verfügt, dafür aber über viel soziale Kompetenz.

Natürlich ist das Ganze überzeichnet: "The Big Bang Theory", die in den USA nun endete und im ORF noch bis September läuft, bedient sich aller möglichen Klischees, nicht nur aus der Wissenschaft – angefangen vom jüdischen Bubele Howard, der noch immer bei seiner Mutter wohnt, oder Leonards Mutter, die selbst Psychologin ist und ihren Sohn entsprechend strikt erzogen hat.

Im Folgenden eingestreut einige besondere Gastauftritte von echten Wissenschaftern in "The Big Band Theory", hier der prominenteste von allen: Stephen Hawking.
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Überzeichnet, aber treffend

Dennoch muss ich sagen: Ja, genau so sind wir, wir Wissenschafter! Das Bild ist zwar stark überzeichnet und pointiert. Aber ich kenne viele Kollegen, die tatsächlich dieselben Hobbys haben wie in der Serie dargestellt: Comics, Rollenspiele, komische Musikbands und natürlich "Star Trek", "Star Wars" und diverse Comic-Verfilmungen. Physiker zu sein ist nicht einfach ein Beruf, nein, es ist eine Berufung. Physiker wird man nicht, man ist es. Die Ausbildung dient nur dazu, dass man besser wird im Denken. Es ist eine Lebenseinstellung.

Apropos: Sollten Sie jemals die Gelegenheit haben, sich gemeinsam mit Physikern einen Science-Fiction-Film anzusehen, lassen Sie sich diese Chance nicht entgehen. Der Film ist das eine, das Gespräch bei einem Bier über den Film das andere – und das Bessere: also konkret die Diskussionen über die im Film gezeigte Technik oder Widersprüche von Filmszenen mit den Naturgesetzen.

Nur angedeuteter Forscheralltag

Leider habe ich in "The Big Bang Theory" einige Dinge vermisst, die typisch sind für den Wissenschafteralltag. Hin und wieder sieht man zwar, wie die TV-Kollegen Fachzeitschriften lesen – aber es wird wenig über neue Erkenntnisse diskutiert. Auch der in der Sitcom angedeutete Arbeitsalltag zeigt nicht die Forscherrealität. Man sieht nichts von der permanenten Weiterbildung, der Recherche und den damit verbundenen Problemen.

Auch der Astrophysiker, Nobelpreisträger und erklärte TBBT-Fan George Smoot hatte seinen Gastauftritt – und sprach darüber mit dem STANDARD.
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Bloß in einigen wenigen Folgen wird angedeutet, wie sich Forscher in ein Problem verbeißen und nur noch auf dieses fokussiert sind – mit dem Problem einschlafen, im Schlaf weiter daran denken, um in der Früh (hoffentlich) mit einer neuen Idee aufzuwachen. Und genau diese Phasen der völligen Fokussierung sind es, die gelebte Wissenschaft ausmachen.

Keine Zeit für Nettigkeiten

Dieses dauernde Grübeln erweckt für Außenstehende mitunter den Eindruck von sozialer Inkompetenz. Dieses Image ist aber falsch! Wissenschafter sind genauso sozial kompetent wie alle anderen Teile der Bevölkerung auch. Aber während der Phase des Problemlösens ist das Gehirn nur mit diesem einen Problem beschäftigt. Es ist dann keine Zeit zum Essen, zum Trinken oder für Nettigkeiten für die blonde Nachbarin Penny.

Ein anderes Problem, das ausgespart wurde, aber von noch viel größerer Bedeutung ist, sind die unsicheren Beschäftigungsverhältnisse von Nachwuchsforschern. Die Thematik, dass es gerade für jüngere Wissenschafter sehr oft nur prekäre Anstellungsverhältnisse gibt, wird leider nur sehr oberflächlich behandelt. Es wäre auch für eine solche Unterhaltungsserie zu traurig.

Kosmologe Brian Greene stellte in "The Big Bang Theory" sein neuestes Buch vor.
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Theorie in der Praxis

Eines hat mir an dieser Serie – zumindest den früheren Staffeln – sehr gut gefallen: Sie zeigt, wie Wissenschafter versuchen, ihre Erkenntnisse und ihre Methoden auf den Alltag zu übertragen. Das wirkt auf andere Menschen verwunderlich, ist aber praktisch, und es vermittelt, wie das Denken das Handeln bestimmt.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine Besprechung in einem Kaffeehaus mit anderen Fachkollegen. Es mussten mehrere Tische zusammengestellt werden, damit jeder einen Platz hatte. Die Frage bestand nun darin, wie wir die Tische zusammenstellen sollten. Ein Kollege meinte nur lapidar: "Kollegen, Symmetrie herstellen." Die anderen Kollegen nickten zustimmend, und jeder wusste sofort, was zu tun sei.

Korrekte Wissenschaft

Besonders positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass die in The Big Bang Theory besprochenen physikalischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse immer exzellent recherchiert sind. Hier hat der Physiker David Saltzberg das Team hervorragend beraten. Er strapazierte dabei zwar ein wenig seine Liebe zur Stringtheorie, die schon veraltet ist. Aber wenn in der Serie die Funktionsprinzipien eines Lasers oder Schrödingers Katze thematisiert wurden, so war das stets hervorragend erklärt.

Auch Astrophysiker und Wissenschaftsvermittler Neil deGrasse Tyson durfte sich in der Sitcom selbst spielen.
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Nebenbei wurden die Unterschiede in den Methoden, mit denen Experimentalphysiker, Theoretiker, Techniker und Astronomen und Nichtwissenschafter Probleme lösen, sehr fein herausgearbeitet. Dem Laien wird so etwas kaum auffallen, doch als Physiker und "Insider" musste ich mehrmals laut auflachen. Schade, dass auf diese Elemente in den letzten Staffeln weniger Wert gelegt wurde.

Insgesamt war die Serie für mich dennoch sehenswert. Sie hat gezeigt, dass Physiker genauso Gefühle und Probleme haben wie andere Menschen auch – und wie sie ihr Denken und ihre Methoden auf den Alltag anwenden. Dadurch ergibt sich viel gewollte und ungewollte Komik. Dass aufgrund dieser Serie jemand Physik studieren wird, mag ich bezweifeln, aber in einem Punkt bin ich mir sicher: Wissenschafter werden dank "The Big Bang Theory" heute anders gesehen – wahrscheinlich positiver. (Werner Gruber, 18.5.2019)