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Neben Matteo Salvini von der italienischen Lega waren unter anderen Marine Le Pen und Geert Wilders in Mailand.

Foto: REUTERS/Alessandro Garofalo

Der Tag hatte nicht gut begonnen für Matteo Salvini: Die Affäre um das Ibiza-Video hat die geplante Superfraktion der europäischen Rechtsnationalen in keinem glänzenden Licht erscheinen lassen. Auch das Wetter meinte es nicht gut: Der Mailänder Himmel war grau am Samstag, Nieselregen und tiefe Temperaturen ließen die Anwesenden auf der Piazza del Duomo frösteln. Trotzdem sind laut Organisatoren "Hunderttausende" gekommen. Der Mailänder Zeitung Corriere della Sera zufolge waren es rund 20.000.

Der Stimmung auf der Bühne taten die widrigen Umstände keinen Abbruch. Euphorisiert von der prächtigen Kulisse des Mailänder Doms und den Menschenmassen zu ihren Füßen erklärte die Chefin des französischen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, dass Europa in Mailand gerade einen "historischen Moment" erlebe: "Wir schreiben Geschichte, und ihr, liebe italienische Freunde, könnt später euren Enkeln erzählen, dass ihr dabei gewesen seid." Mit den Europawahlen vom 26. Mai, lautete der Tenor von der Bühne, werde in Brüssel "eine neue Ära eingeleitet".

Einheit schaffen

Ziel ist es, die im Europaparlament derzeit auf drei Gruppen verteilten Populisten und "Patrioten" in einer "Superfraktion" zu vereinigen. Elf Parteien waren Salvinis Ruf nach Mailand gefolgt: Neben der FPÖ (deren Spitzenkandidat Harald Vilimsky sich durch Georg Mayer vertreten ließ) und dem RN waren Vertreter der deutschen AfD, der niederländischen Freiheitspartei (PVV), des belgischen Vlaams Belang, der Finnenpartei, der Dänischen Volkspartei (DF), der tschechischen Freiheit und direkte Demokratie (SPD), der bulgarischen Volya-Partei, der slowakischen Sme Rodina sowie der estnischen Konservativen Volkspartei (EKRE) zugegen.

AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen betonte, dass sich auf der Mailänder Bühne keine Antieuropäer versammelt hätten. "Im Gegenteil: Wir sind die wahren Europäer." Die Feinde und Zerstörer Europas seien in Wahrheit die Eliten, die Bankiers, die Bürokraten. Meuthen nannte die Europafeinde beim Namen: Juncker, Merkel, Macron, Schulz, Timmermanns, Weber. Das seien jene, die Europa nicht nur mit "Migranten fluten", sondern auch die nationalen Identitäten und Traditionen abschaffen wollten.

Salvini und seine Mitstreiter präsentierten ihre Pläne des Wandels, den Europa so dringend nötig habe: Statt des von Juncker und Konsorten propagierten europäischen "Superstaats" müsse Europa wieder eine "Gemeinschaft souveräner Nationen" werden, in welcher Brüssel nur wenig zu sagen hätte. "Unsere friedliche und demokratische Revolution basiert auf dem Wert jedes einzelnen europäischen Volks", sagte Le Pen. Weshalb man dann die EU nicht gleich ganz abschaffen sollte, blieb unklar.

Kritik an EU-Haushaltsvorgaben

Auch viele Teilnehmer an der Kundgebung verstanden dies nicht ganz. "Die EU hat doch nur Deutschland Vorteile gebracht – uns hat sie eine jahrzehntelange Krise beschert", beklagte Antonio Rinaldi aus der toskanischen Stadt Prato. Viele Salvini-Anhänger glauben, was ihnen auch schon dessen Vorgänger weisgemacht hatten: dass die Hauptprobleme Italiens nicht die horrenden Schulden, die Korruption, die Mafia, die grassierende Steuerhinterziehung und der Reformstau seien, sondern die Haushaltsvorgaben der EU-Kommission. "In Brüssel sagen sie uns, wann wir in Rente gehen sollen und wie viel wir in unsere Infrastrukturen investieren dürfen – so sind wir doch kein souveräner Staat mehr", sagte Marco Donzella, der aus Udine im Friaul angereist war.

Wenn Salvini von der "Revolution des gesunden Menschenverstands" redet, dann meint er vor allem eines: Er will die EU-Haushaltsregeln aufweichen oder ganz abschaffen. "Aus diesem Käfig werden wir ausbrechen", betonte Salvini in Mailand. Der Lega-Chef scheint zu glauben, dass Italiens Schuldenberg irgendwie von selbst verschwinden werde, wenn der Staat nur genug Geld ausgebe und zugleich die Steuern senke.

Bei Salvinis Kritik an den Haushaltsregeln war der Applaus seiner Verbündeten verhalten. Der Kitt, der die Allianz zumindest heute noch zusammenhält, ist und bleibt die Migration: Die "Invasion", die "schleichende Islamisierung", die "ethnische Ersetzung" Europas müsse gestoppt werden, waren sich die "wahren Europäer" einig. Allerdings: Wenn Salvini mit seiner Politik der geschlossenen Häfen so weitermacht, müssen sie sich irgendwann einen neuen Wahlschlager suchen. "Salvini hat die Massenmigration gestoppt", stellte FPÖ-Mann Georg Mayer in Mailand fest. (Dominik Straub aus Mailand, 19.5.2019)