ACHTUNG: Alle Recaps sind voller Spoiler, auch der folgende ist keine Ausnahme. Sie wurden gewarnt (ein letztes Mal)!

Im Podcast stellen wir uns die Frage: Wie schlecht ist "Game of Thrones" wirklich? Wir sind uns nicht ganz einig.

Die Trümmer rauchen noch, Asche regnet leise auf die zerstörte Stadt. Leblose, verbrannte Körper liegen auf der Straße, die wenigen Überlebenden wanken verstört herum. Mit diesem postapokalyptischen Szenario beginnt die allerletzte "Game of Thrones"-Folge. Geredet wird in diesen ersten Minuten kaum, der Schock ist Tyrion, Jon und Davos auf ihrem Weg durch das zerstörte King's Landing ins Gesicht geschrieben. Ein paar überlebende Lannister-Soldaten werden von den Unsullied hingerichtet – auf Befehl der Königin, sie macht keine Gefangenen mehr. Tyrion macht sich alleine auf die Suche nach seiner Familie und erlangt im Schutthaufen in Maegors Feste traurige Gewissheit: Er ist tatsächlich der Letzte seiner Familie. All seine Pläne sind auf brutale Art gescheitert, man fühlt mit ihm.

Foto: Helen Sloan/HBO

Fire and Blood

Vom Red Keep weht der Drachen-Banner der Targaryens, das Szenario erinnert auf beklemmende Weise an die Reichsparteitage – und soll es vermutlich auch. Unten stehen die – immer noch überraschend großen – Armeen der Unsullied und Dothraki. Über deren Köpfe fliegt Drogon, oben auf den Treppen erscheint Daenerys. In einem kurzen, großartig gefilmten Moment wirkt es so, als habe sie selbst nun Drachenflügel, doch die deutlichste Veränderung ist in ihrem Inneren. Die Münze ist auf die falsche Seite gefallen. Auf Valyrisch hält sie in bester Diktatorenmanier eine ihrer Brandreden an ihr treues Gefolge. Dieses habe alle Versprechen gehalten, die Männer in ihren eisernen Anzügen getötet, ihre Häuser aus Stein niedergerissen. Sie hätten King's Landing "befreit", nun solle die ganze Welt gleichermaßen befreit werden – von Winterfell bis Dorne, jenseits der Meere, überall. Der Krieg sei noch lange nicht vorbei. Tyrion hat da längst genug, er kündigt und schmeißt seinen "Hand"-Anstecker vor Daenerys in die Asche. Und so wird er – einmal wieder – festgenommen. Was doch einigermaßen verwunderlich ist, schließlich wurden andere schon für weniger von Daenerys verbrannt und hingerichtet.

Foto: HBO

Das Ende einer Ära

Jon besucht den Gefangenen in der Zelle, dieser hat sein Schicksal akzeptiert und versucht nun noch Jon vom richtigen Weg zu überzeugen – die Königin müsse weg. "Der Krieg ist vorbei! Sie ist meine Königin", hört man Jon sagen und fragt sich erneut, wie beschränkt er eigentlich ist. "Liebe ist der Tod der Pflicht", zitiert er Master Aemon. "Pflicht ist der Tod der Liebe", entgegnet Tyrion. Und so kommt es zur letzten Begegnung zwischen Daenerys und ihrem Neffen, Ex-Freund und Rivalen. Wie schon in ihrer Vision steht Daenerys im zerstörten Thronsaal, vor dem Thron, von dem sie ihr Leben lang geträumt hat. Wie wir nun wissen, im Ascheregen und nicht im vermeintlichen Schneegestöber. Wie schon damals greift sie nach dem Thron – doch endlich darauf Platz nehmen kann sie auch in der Realität nicht.

Mother of Dragons

Jon unterbricht den Moment und appelliert an ihr Herz. Später werde sie Gnade zeigen, versichert Daenerys. Vorher müsse sie noch alle befreien. Sie sollen doch gemeinsam weitermachen, gemeinsam für die gute Sache kämpfen. Jon stimmt zu, sie ist schließlich seine Königin, küsst sie – und sticht ihr seinen Dolch ins Herz. Und so schnell kommt das Ende für die Drachenkönigin, deren Figur acht Staffeln lang aufgebaut wurde und die nun innerhalb von zwei Folgen verrückt wurde und starb. Drogon reagiert verstört, seine Mutter ist tot. Außer sich holt er tief Luft und verbrennt – überraschenderweise nicht Jon, den Queenslayer, sondern den Iron Throne, der als Symbol für das ganze Leid verantwortlich ist. Mit der toten Daenerys in seinen Klauen verschwindet er übers Meer.

All Hail Bran the Broken, First of his Name

Einen – nur an Tyrions Bartwuchs ersichtlichen – Zeitsprung später befinden wir uns in der Drachengrube, wo sich alle Vertreter der wichtigen Häuser Westeros' in einer für den Zuschauer eher plötzlichen Entwicklung versammelt haben. Es soll darüber verhandelt werden, wie es weitergeht mit Westeros, Jon Snow und dem Thron. Wer sie verständigt und das Meeting eigentlich organisiert hat, bleibt unklar. Jedenfalls gibt es gerade niemanden, der die Macht hat, Entscheidungen für die vereinigten Königreiche zu treffen. Tyrion hat einen radikalen Vorschlag: Die anwesenden Adeligen sollen jemanden ernennen. Der noch radikalere Vorschlag von Sam – Demokratie und offene Wahlen – sorgt für Erheiterung.

Tyrion führt weiter aus: Geschichten sind das, was uns alle verbindet. Und wer hat eine bessere als Bran? Er fiel von einem Turm und überlebte, konnte nicht mehr gehen und lernte zu fliegen, war im Norden jenseits der Mauer und wurde der dreiäugige Rabe. Er sei der Hüter kollektiver Erinnerungen, wer wäre besser geeignet, Westeros in die Zukunft zu führen? Dass er selbst nicht für Nachwuchs sorgen kann – wie Sansa recht indiskret anmerkt –, ist ein zusätzlicher Vorteil. So wären alle von den Joffreys der Welt verschont. Könige sollten künftig immer auf diese Art gewählt werden. Bran ist naturgemäß nicht überrascht und willigt ein. Der Reihe nach stimmen alle zu – bis auf Sansa. Die besteht auf einem freien und unabhängigen Norden, so wie bereits vor langer Zeit. Bran akzeptiert und ist nun Herrscher über sechs Königreiche.

Und nun beginnt seine Wacht

Wie geht es nun weiter? Tyrion wird "Hand", zum dritten Malund diesmal quasi als Strafe für alle seine bisherigen Verfehlungen. In dieser Funktion teilt er Jon mit, was diesen erwartet. In einer Entscheidung, die alle gleichermaßen unzufrieden zurücklässt, aber den Frieden sicherstellt, wird Jon zur Strafe für den Mord an Daenerys zur Nachtwache zurückgeschickt. Die Heere der Unsullied und der Dothraki fahren übers Meer zurück in ihre Heimat, und in King's Landing beginnen die Aufbauarbeiten. Tyrion, Brienne, Davos, Sam und Bronn bilden den neuen Rat – der sich noch recht ungeübt durch die Formalitäten der ersten Sitzung mit König Bran holpert.

Und dann gilt es, sich von den Starks zu verabschieden. Ein letzte Mal sind alle am Pier versammelt, bevor sich ihre Schicksale erfüllen. In einer emotionalen und erhebenden Montage sieht man, wie Sansa verdienterweise zur Queen in the North gekrönt und damit wohl um einiges erfolgreicher sein wird als ihre Brüder zuvor. Arya segelt auf ihrem eigenen Stark-Schiff ins Unbekannte, auf der Suche nach der Antwort auf die Frage "Was ist westlich von Westeros?". Und Jon – der endlich seinen Wolf streichelt – reitet mit Tormund und einer Gruppe Wildlinge in den "richtigen" Norden jenseits der Mauer. Durch den Schnee sieht man schon erste Grashalme sprießen – der Frühling beginnt.

A Dream of Spring

Einmal durchatmen. "Wenn man das Spiel der Throne spielt, gewinnt man, oder man stirbt", sagte Cersei einst. Doch überraschend viele Hauptfiguren leben noch, während der Thron zerstört ist. Wurde das Finale der Serie gerecht? Zumindest war es nicht das "Jon Snow auf dem Eisernen Thron"-Ende, das viele Fans befürchtet haben. Die in Staffel acht recht prominenten Logiklöcher und abrupten Handlungssprünge gab es auch in dieser Folge: der rasante, mehr oder weniger unerklärte Zeitsprung zwischen Daenerys' Tod und Brans Wahl zum König, die Frage, wie es überhaupt zu dieser Versammlung gekommen ist, warum Jon, der immerhin die Königin ermordet hat, nicht sofort hingerichtet wurde wie die Lannister-Soldaten, die einfach nur auf der falschen Seite kämpften.

Die Stark-Handlungsstränge wirken gut aufgelöst: Bran scheint die perfekte Wahl für den König, Macht interessiert ihn nicht, Eitelkeit und Rache sind ihm fremd. Die Fehler der Vergangenheit wird er nicht wiederholen, da er die Vergangenheit besser kennt als jeder andere. Aryas Abschied ins Ungewisse macht auch Sinn – eine Lady auf einer Burg zu sein, das war noch nie ihr Wunsch. Und mit Sansa als Königin des Nordens gibt es nun auch endlich jemanden, der für diesen Job auch tatsächlich qualifiziert ist.

Wer hat ein besseres Skript verdient?

Und doch bleibt das Gefühl, dass einige Stränge zu schnell vorangetrieben und andere zu schnell beendet wurden. Daenerys als gefallene Heldin ist an sich eine großartige Weiterentwicklung ihres Charakters, doch diese Entwicklung hätte mehr Zeit und eine sorgfältigere Ausarbeitung gebraucht. Sie innerhalb von kaum drei Folgen von einer Hoffnungsträgerin zur absoluten Mad Queen mit unerklärlicher Grausamkeit gegenüber denen, die sie einst beschützt hat, zu machen – und sich ihrer dann knappe dreißig Minuten später ganz zu entledigen – wirkt übereilt und schlampig erzählt. Schade um die Figur, da wäre viel mehr drin gewesen.

Ähnlich übereilt wirkt rückblickend die Geschichte rund um die White Walker. Auch im Finale folgt keine weitere Erklärung, kein Motiv, sie spielen einfach keine Rolle mehr. Das wirkt im Vergleich zu den bisher aufgebauten Erwartungen reichlich antiklimaktisch. Ähnlich der Mythos rund um "The Prince (or Princess) who was promised" – nie wieder erwähnt. Der Gott des Feuers – irrelevant. Und als Erklärung für alles soll Brans Binsenweisheit "Alles passiert aus einem guten Grund" dienen. Das eignet sich vielleicht als Kalenderspruch, doch als Füllmittel für alle Logiklöcher vor allem der letzten Zeit ist es ein wenig zu platt.

Auf Wiedersehen!

Wie auch immer man der letzten Staffel und der Auflösung gegenübersteht, wer bis zum Schluss dabeigeblieben ist, hat das nicht ohne guten Grund getan. Die Serie hat über die Jahre die Erwartungen an gutes Storytelling weit in die Höhe geschraubt und wusste visuell, schauspielerisch und dramaturgisch immer zu beeindrucken. Die Figuren sind einem über die Zeit ans Herz gewachsen, man hat mit ihnen und im Kollektiv mit einer weltweiten Community gelitten und mitgefiebert. Nun entlassen wir die noch Lebenden in ein hoffentlich besseres, gerechteres Westeros. Mögen es die Götter gut mit ihnen meinen.

And now our watch has ended. (Anya Antonius, 20.5.2019)