Mikroklima, selbstgemacht; Der kühl-coole Ecological Garden des Künstler-Ingenieurs Philippe Rahm in Taiwan.

Foto: Courtesy Philippe Rahm

Wenn die Luft zu trocken ist, wird sie mit Sprühnebel befeuchtet. Wenn der Fußballrasen zu heiß ist, wird er mit einer Art umgekehrter Fußbodenheizung kalt gemacht. Und wenn der Wind im Sommer nur brütende Luftmassen durch die Stadt schiebt, dann werden ihm ein paar Kiefern und Koniferen in den Weg gestellt, sodass die Luft gefiltert, verschattet und mittels CO2-Umwandlung um ein paar Grad hinuntergekühlt wird. So geschehen im Jade Eco Park in Taichung. Mit dem sieben Hektar großen Park hat sich die taiwanesische Drei-Millionen-Metropole vor drei Jahren ein technisch-ökologisches Denkmal gesetzt.

"Gerade im Sommer haben Parks und Freiflächen in tropischen und subtropischen Breitengraden ziemlich feindliche Bedingungen, die den Aufenthalt im Freien unangenehm und schwierig machen", sagt der französische Landschaftskünstler Philippe Rahm, der sich selbst als Hybrid aus Architekt, Ingenieur und Wissenschafter bezeichnet. Mit künstlichen Nebelanlagen, unterirdischen Kühlaggregaten und fünf Meter hohen Gegenschall-Lautsprechern, die sich als moderne Skulpturen tarnen und den städtischen Umgebungslärm neutralisieren, soll die Architektur der Natur ein bisschen unter die Arme greifen.

Klima als Baustoff

"Dieses Projekt ist ein Experiment", sagt Rahm. "Wir wollen damit untersuchen, ob und inwiefern man heute schon mit dem Baustoff Klima bauen kann." Das nächste Projekt ist bereits in den Startlöchern: Erst im April gewann Rahm mit dem niederländischen Architekten Rem Koolhaas ein urbanes Klimaprojekt, mit dem die im Hochsommer überhitzte und verschmutzte Luft Mailands mittels grüner Infrastruktur, Verdunstungsbecken und Phytosanierung optimiert werden soll. Durch Hoch- und Tiefdruckinseln werden Luftbewegungen geschaffen, die als kühle Brisen bis in die Stadtquartiere hineinstreichen. Die Umsetzung des Megaprojekts ist für die nächsten fünf bis zehn Jahre anberaumt.

Die Architektur hat die Macht des Klimas für sich entdeckt. Ob dies ein Ausblick auf die Zukunft unserer Lebensraumgestaltung ist oder bloß ein kurzes Ausreizen der technischen Möglichkeiten und Grenzen, ist das Thema der diesjährigen Architekturtage, die nächste Woche am 24. und 25. Mai in ganz Österreich über die Bühne gehen. Unter dem Titel "Raum Macht Klima" haben sich die Veranstalter zum zehnten Jubiläum des Festivals ein nicht nur nachhaltiges, sondern auch dramatisch urgierendes und längst überfälliges Thema ausgesucht. Und das in einer Zeit, in der Menschen in politischen Ämtern immer noch Klimakrise mit Wetterkapriolen verwechseln.

Schutzfunktion

"Unser aller Leben ist geprägt vom Klima", sagt Barbara Feller, Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich, die den Event in Kooperation mit dem Verein Architekturtage, mit der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen und mit den Architekturhäusern in den einzelnen Bundesländern veranstaltet, "und zwar vom meteorologischen genauso wie vom gesellschaftlichen. Direkt oder indirekt geht es dabei immer auch um Architektur und Raumplanung. Das beginnt bei ihrer Schutzfunktion gegenüber Wind und Wetter und reicht über Umwelt- und Raumklimafragen bis hin zum kulturellen Klima, das durch sie geschaffen wird." Bei den Architekturtagen 2019, so Feller, gehe es um genau diese Bandbreite des Klimabegriffs.

"Die Architekturtage sind für die breite Öffentlichkeit sehr wichtig", meint Georg Pendl, Präsident des Vereins Architekturtage, "denn eine Veranstaltung wie diese ist durchaus in der Lage, eine Veränderung im gesamten baukulturellen Klima auslösen. Das ist der Humus, auf den man dann noch Samen und Pflänzchen setzen muss." Und zwar, so eines der Grundprinzipien der Architekturtage, in einer leicht verständlichen Sprache. Im Gegensatz zu klassischen Architekturevents nämlich richten sich die Architekturtage nicht nur an ein Fachpublikum, sondern auch an Otto Normalverbraucher und Monika Mustermann.

Breite Öffentlichkeit

Auf dem Programm stehen Vorträge, Diskussionen, Ausstellungen, Führungen, Baustellenbesichtigungen, Stadtspaziergänge und persönliche 1:1-Gespräche in offenen Ateliers. Die übergreifende Frage, die über all den Veranstaltungen zwischen Rheintal und Seewinkel schwebt: Welchen Beitrag können Stadt und Land leisten, um zu einem besseren ökologischen, ökonomischen, sozialen, politischen und auch baukulturellen Klima beizutragen?

Die Antworten darauf fallen sehr unterschiedlich aus: Tirol begibt sich auf die Suche nach der Natur in der Stadt. Niederösterreich erforscht klimatische Ressourcen und Potenziale in St. Pölten. Das Burgenland widmet sich dem klimagerechten Leben in Kleinstädten. In Salzburg wird das Quartier Riedenburg unter die Lupe genommen. In Wien möchte man das Gesprächsklima zwischen Bewohnern, Planern und Politikerinnen fördern. Vorarlberg wirft einen Blick auf das alte und neue Feldkirch. Oberösterreich spaziert und radelt zu Brennpunkten der Stadtverdichtung. Die Steiermark fokussiert auf gebaute Best-Practice-Beispiele. Und Kärnten lädt ein zu einer Tour zu aufgelassenen Häusern und alten Problemvierteln – und zeigt auf, was sich alles entdecken lässt, wenn man nur den gewohnten Blick verändert.

Raum Macht Klima

Raum Macht Klima. Ein Titel mit Interpretationsfreiheit. Bleibt zu klären: Wollen wir am Ende die Räume ermächtigen, Klima zu produzieren wie das der französische Architekt und Deus ex Machina Philippe Rahm tut? Oder wollen wir uns selbst die Macht einräumen, endlich ein gemeinsames Gesprächsklima über Wohn- und Lebensqualität zu schaffen? Das gilt es zu klären. Zwei Tage Zeit. (Wojcieck Czaja, 17.5.2019)