Johann Gudenus trat, wie sein verstorbener Vater John, aus der FPÖ aus.

Foto: imago images / Eibner

Wien – Er hat dem Instinkt seiner Ehefrau nicht vertraut. Frau Gudenus, jene Person, die im Sommer 2017 in der Finca in Ibiza zwischen ihrem Mann Johann und Heinz-Christian Strache sitzt, wird misstrauisch – und bringt diese Skepsis auch zum Ausdruck. "Kann das eine Falle sein?", soll sie in der unveröffentlichten Langfassung des berühmten Videos, das "Süddeutsche Zeitung", "Spiegel" und "Falter" vorliegt, sagen. Dennoch reden sich Gudenus und Strache in alkoholgeschwängerter Atmosphäre um Kopf und Kragen.

Der ansonsten nie um provokante und wortgewaltige Zitate verlegene Gudenus muss nach Auftauchen der Videos still und leise die Konsequenzen aus der Affäre ziehen. Seinen Rücktritt "aus allen Parteifunktionen" – darunter als geschäftsführender Klubobmann der Freiheitlichen im Parlament, als Nationalratsmandatar sowie als geschäftsführender Parteichef in Wien – gibt er Samstagmittag in einer kurzen Aussendung bekannt. Sonntagabend folgte der Parteiaustritt "mit sofortiger Wirkung": Die Meldung umfasste diesmal sogar nur drei kurze, nüchterne Sätze. Neuer Wiener FPÖ-Chef wird Dominik Nepp: Der 37-Jährige ist am Montagabend vom Vorstand zum geschäftsführenden Obmann der Wiener FPÖ designiert worden.

Zum STANDARD sagte Gudenus am Montag: "Ich bitte um Verständnis, dass ich derzeit kein öffentliches Statement abgeben möchte." Er müsse sich derzeit auch um seine Familie kümmern: Seine Frau Tajana ist schwanger, das erste gemeinsame Kind ein Jahr alt. Dazu kommt ein neunjähriger Sohn.

Social-Media-Funkstille

Seit Freitag ist beim ansonsten umtriebigen Gudenus auch weitgehende Social-Media-Stille angesagt: Zuletzt schrieb der freiheitliche Hardliner auf Facebook: "Ich zahle dem Herrn Vural gerne ein One-Way-Ticket in ein islamisches Land seiner Wahl." Ümit Vural, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft, hatte angekündigt, das Kopftuchverbot der Regierung vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen.

Dass Gudenus am Samstag nur eine halbe Stunde nach seinem politischen Ziehvater Strache von seinen Parteifunktionen zurücktrat, ist Ironie des Schicksals. Denn auch bislang war der loyale 42-Jährige seinem Vorbild auf dem Fuß gefolgt: Zunächst wurde Gudenus Straches Nachfolger als Chef der freiheitlichen Wiener Parteijugend. Als Strache Anfang 2018 in die Regierung einzog, löste Gudenus, zuletzt nicht amtsführender Vizebürgermeister in der Bundeshauptstadt, Strache als Klubchef im Nationalrat ab. Dazu stieg Gudenus neben Strache zum geschäftsführenden FPÖ-Chef in Wien auf – und wurde quasi dessen Statthalter.

Jahrzehntelange Freundschaft mit Strache

Ob die jahrzehntelange Freundschaft mit Strache die Affäre überdauert, ist fraglich. Schon Anfang der 1990er lernten sich der 15-jährige Gudenus und Strache, damals Bezirkspolitiker in Wien-Landstraße, kennen. Gudenus' Vater John hatte die beiden indirekt über das Parteiumfeld bekannt gemacht. FPÖ-Urgestein John Gudenus ist übrigens im September 2016 verstorben. Der ehemalige Nationalrats- und Bundesratsabgeordnete, der wegen Leugnung des Holocaust verurteilt wurde, trat ebenfalls im Jahr 2005 aus der FPÖ aus.

Ein paar Jahre nach der ersten Begegnung holte Strache "Joschi", wie er Gudenus junior nennt, in die pennale Burschenschaft Vandalia. Gudenus wurde der "Leibfuchs" seines Mentors – also Straches untergebener Verbindungsbruder. Dreimal ficht Burschenschafter Gudenus Mensuren – doch seinen Schmiss über seiner linken Augenbraue verdankte er einer Attacke mit einem Cocktailglas am Opernball 2011, sagte er.

Johann Baptist Björn Gudenus entstammt einem niederösterreichischen Grafengeschlecht. Anders als seine Brüder interessierte sich Gudenus, der die Eliteschule Theresianum besuchte, bereits früh für die Politik seines Vaters. Er schloss ein Jusstudium ab, absolvierte die Diplomatische Akademie in Wien und belegte auch regelmäßig Kurse an der Lomonossow-Universität in Moskau.

Umfangreiche Russland-Kontakte

Seine Russland-Kontakte blieben: Gudenus war Ende 2016 Teil einer hochrangigen FPÖ-Delegation um Strache, Norbert Hofer und Harald Vilimsky, die mit der Kreml-Partei Einiges Russland eine "Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation" unterzeichnet hat. Zwei Jahre zuvor wetterte Gudenus bei einem Kongress in Moskau gegen die "Homosexuellenlobby" in Europa. Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim fungierte Gudenus bei einem umstrittenen Referendum 2014 als Wahlbeobachter – und lobte den Ablauf.

Bei den Lockvögeln des Ibiza-Videos, einer vermeintlichen wohlhabenden Nichte eines russischen Oligarchen mit – laut Aussage von Strache – lettischem Pass sowie deren Vertrautem, soll auch Gudenus als Erster angebissen haben. Nach dem Treffen auf der Baleareninsel im Juli 2017 soll es zu weiteren Begegnungen zwischen Gudenus und Personen aus dem Umfeld der Milliardärsnichte gekommen sein. Das Vertrauen auf eine fruchtbare Kooperation zwischen den vorgetäuschten russischen Kontakten und den Freiheitlichen kostete schließlich Strache und Gudenus die politische Karriere. (David Krutzler, 20.5.2019)