Das Zentrum Qwien feiert seinen zehnten Geburtstag. Die Idee, Qwien zu gründen, entstand aus dem Bedarf heraus, die queere Geschichte Wiens und Österreichs zu sammeln, zu erforschen und zu vermitteln. Darüber hinaus galt es, Dokumente zu sichern, die selbst in den 2000er-Jahren in öffentlichen Institutionen, Museen und Archiven als "nicht sammlungswürdig" galten. Auch die universitäre Forschung ignorierte LGBTI*-Themen lange Zeit. Die Gründer von Qwien, Andreas Brunner und Hannes Sulzenbacher, begannen bereits vor über zehn Jahren, dieses Vakuum des Nichtwissens nach und nach zu füllen. Bereits vor der Gründung wurde auch die Ausstellung: "geheimsache: leben. Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts" als Wiener Beitrag zum Gedenkjahr 2005 realisiert, die zum ersten Mal die queere Geschichte der Stadt thematisierte.

Nach dem Ende der Ausstellung stellte sich die Frage, was mit dem Material, das in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen worden war, all den Recherchen und Erkenntnissen aus der Ausstellung weiter geschehen sollte. Eine geeignete Stelle, um es zu bewahren, war nicht vorhanden, und eine private Sammlung schien aus Platzgründen und fehlenden archivalischen Bedingungen unpraktisch. Es musste also etwas aus Eigeninitiative geschehen: Die Idee einer dauerhaften Einrichtung zur historischen Aufarbeitung queerer Geschichte war entstanden und konnte dank der Förderung durch die Gemeinde Wien Realität werden. Seit dem offiziellen Gründungsjahr 2009 entwickelte sich Qwien zu einem Ort, der queere Geschichte bewahrt, erforscht und vermittelt.

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Qwien wurde 2009 gegründet und ist seitdem Archiv für queere Geschichte.
Foto: REUTERS/Brendan McDermid

Platz für queere Geschichte

In der Qwien-Bibliothek sind mittlerweile 5.000 Publikationen zur homosexuellen Geschichte und Geschichtswissenschaft, Frauen- und Lesbenbewegung, Sexualitätswissenschaft, Aids, queerer Kunst und vielem mehr zu finden, im Qwien-Archiv zahlreiche Bestände zur Geschichte der LGBTI*-Bewegung in Wien und Österreich. Das Zentrum führt ein Foto- und Videoarchiv, eine Plakatsammlung, das Archiv der Aidshilfe Wien, das Archiv der Österreichischen Liga für Menschenrechte als Dauerleihgabe sowie zahlreiche Nachlässe, darunter Teilnachlässe des österreichischen Aktivisten und Literaten Erich Lifka, der Politologin Gudrun Hauer, der Vorlass von Hermes Phettberg sowie private Schenkungen.

Die stetig wachsende Sammlung spiegelt hierbei auch eine Trendwende im Umgang mit Quellen queerer Geschichte wider. Lange Zeit wurden persönliche Dokumente aus Angst vor sozialem Stigma und strafrechtlicher Verfolgung oftmals vernichtet, um keine Beweise zurückzulassen. Das Fehlen von Ego-Dokumenten (Tagebücher, Briefe, Notizen et cetera) stellte die Geschichtsforschung vor eine herausfordernde Situation, die sich nun langsam bessert.

Neben der Archivarbeit betreibt Qwien auch laufend selbst Forschungs- und Ausstellungstätigkeiten. Die Projekte zu "Stonewall in Wien", zur namentlichen Erfassung der homosexuellen und Transgender-Opfer des Nationalsozialismus oder zu homoerotischen und homophoben Aspekten in der Wahrnehmung des Orients sowie die Ausstellung "Sex in Wien" (in Zusammenarbeit mit dem Wien-Museum) sind nur einige Highlights.

Vermittlung von Geschichte

Ein besonderes Anliegen ist und bleibt jedoch die Vermittlung historischer Forschung an ein breites Publikum. Die Qwien-Stadtführungen über die queere Geschichte Wiens – vom Habsburger "Luziwuzi" über Isabella von Parma bis hin zur Entstehung der Rosa Lila Villa – erfreuen sich ebenso großer Beliebtheit wie die Regenbogenführungen in Kooperation mit und an der Universität Wien zur dortigen queeren Geschichte.

Angelehnt an internationale Vorbilder aus dem angloamerikanischen Raum organisiert Qwien außerdem seit 2014 jährlich den Queer History Day, eine offene und niederschwellige Veranstaltung zu queerer Geschichtsforschung. (Virginia Hagn, Johanna Taufner, Christopher Treiblmayr, 24.5.2019)