Der manchmal lästigen und schmerzhaften Regel ein Ende setzen: Nur logisch oder betriebene Selbstoptimierung?

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Im Menstruationszelt Bloody Marys trinken, gemeinsam waschbare Binden nähen oder sich blutend beim "Luna Yoga" verrenken: Für Frauen, die sich mit ihrer Menstruation auseinandersetzen möchten, existiert mittlerweile eine Fülle an Workshop-Angeboten. Die neue Welle an Menstruations-Aktivismus zelebriert den "Period Pride", um die Regelblutung aus der Schmuddelecke zu holen und endgültig von ihrem Stigma zu befreien. Einmal pro Monat bluten – das erleben sechzig Prozent der österreichischen Mädchen trotz feministischer Interventionen immer noch als etwas Negatives, wie eine Umfrage des Unternehmens "Erdbeerwoche" unter Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren zeigte.

Aber ist es überhaupt notwendig, die Menstruationsblutung positiv zu besetzen, die für viele Frauen vorrangig Stress und Krämpfe bedeutet? "Jeden Monat die Regel muss nicht sein!", mit diesem Slogan adressiert Periodenfrei.info Frauen, die "das Leben in vollen Zügen genießen" wollen, betrieben wird sie vom Verein IRHI, der Initiative zur Information über Reproduktive Gesundheit des Gynäkologen Christian Fiala. 450-mal im Leben eine Regelblutung zu haben, das sei ein neues Phänomen, ist dort lesen. Früher hätten Frauen aufgrund höherer Geburtenraten und längerer Stillzeiten schließlich wesentlich seltener geblutet. Die Lösung: Hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille ohne Pause zu nehmen, rät "Periodenfrei".

Erfolgreiche Schmerztherapie

"Gegen die Langzyklus-Anwendung spricht gar nichts, im Gegenteil, es gibt sogar Vorteile – etwa für Frauen mit starken Regelschmerzen oder Eisenmangel", sagt auch Christian Egarter, Leiter der Klinischen Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Med-Uni Wien. 21 Pillentage, sieben Tage Pause, so wird die Antibabypille nach wie vor häufig eingenommen. Während dieser Einnahmepause sorgt der Hormonentzug für eine Abbruchblutung, die medizinisch jedoch nicht notwendig ist und eine Art künstlich erzeugte Menstruation darstellt.

Der Grund für die Pillenpause ist in der Geschichte des zunächst kontrovers diskutierten Verhütungsmittels zu finden. So wurde bei der Einführung 1960 aus moralischen Gründen nicht die Verhütungswirkung in den Vordergrund gestellt, erläutert Egarter im STANDARD-Gespräch, vielmehr wurde die Pille als zyklusregulierende Maßnahme vermarktet.

Wer die Antibabypille durchgehend einnimmt, hat unter Umständen in den ersten Monaten mit Schmier- und Zwischenblutungen zu rechnen, im Laufe der Einnahme werden diese jedoch seltener. Ein Langzyklus – Pausen können nach drei oder fünf Monaten oder einmal pro Jahr gemacht werden – ist auch mit dem Hormonpflaster und dem Vaginalring möglich. Auch die Hormonspirale, die je nach Präparat drei bis fünf Jahre in der Gebärmutter verbleiben kann, sorgt bei vielen Anwenderinnen für eine ausbleibende Regelblutung.

"Zyklisches Wesen" Frau?

Eine große Erleichterung vor allem für jene Frauen, die mit sehr starken Blutungen oder sehr starken Schmerzen zu kämpfen haben – wie bei einer Endometriose. Bei der gutartigen chronischen Erkrankung, von der etwa zehn bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind, können die Symptome oft mit hormonellen Verhütungsmitteln unterdrückt werden.

Endlich keine Schmerzen mehr, das erlebte auch Katharina als enorm erleichternd. Die 31-Jährige verzichtete wegen einer langen Reise erstmals auf die Pillenpause. "Es ist einfach praktisch", erzählt sie dem STANDARD, "ich habe keine Schmerzen, ich muss mir nichts in den Kalender eintragen." Regelmäßig zu menstruieren, das ist für Katharina keine Erfahrung, die untrennbar zum Frausein gehört.

Gerade im esoterischen Umfeld sehen das viele anders. Unzählige Seiten finden sich im Netz, auf denen das "zyklische Wesen" von Frauen beschworen und die Menstruation zur Phase der spirituellen Reinigung erklärt wird. Auch dass die Regelblutung der "Entgiftung" des weiblichen Körpers diene und hormonelle Langzeitverhütung deshalb enorm schädlich sei, ist auf solchen Portalen zu lesen. Eine medizinische Falschinformation, die immer noch Verbreitung findet.

Selbstoptimiert periodenfrei

Ist die Menstruation also längst ein lästiges Übel, das mithilfe der modernen Medizin überwunden werden kann? Ein Befund, der Kerstin Pirker vom Grazer Frauengesundheitszentrum äußerst skeptisch stimmt. "Natürlich ist es gut, wenn Frauen, die zum Beispiel unter Endometriose leiden, mit dem Langzyklus eine höhere Lebensqualität erreichen. Aber weibliche Körpererfahrung wird immer noch enorm stigmatisiert", sagt Pirker. "Keine Frau muss mehr bluten" ziele letztlich auf Selbstoptimierung ab, ist die Familienplanungsberaterin überzeugt: "Wäre es nicht besser, wenn wir uns für eine Gesellschaft starkmachen, in der die Menstruation nicht mehr mit Ekel und Scham verbunden ist?"

Frauen selbstbestimmte Entscheidungen zu ermöglichen und ihre Erfahrungen ernst zu nehmen – wichtige Grundsätze für die Arbeit des Frauengesundheitszentrums. Das gilt auch für die strittige Frage der Nebenwirkungen hormoneller Verhütungsmittel. Dass die Skepsis gegenüber Pille und Co steigt, zeigte unter anderem der von Gynmed veröffentlichte Verhütungsreport 2019: Während 2012 noch sechzig Prozent der Befragten hormonell verhüteten, fiel dieser Wert 2019 auf 48 Prozent. Ein Leben ohne Pille, darüber berichten im Netz immer mehr Frauen, die unter Nebenwirkungen wie Libidoverlust, Depressionen oder Migräne litten.

Nebenwirkungen im Fokus

Wissenschaftliche Belege dafür, dass hormonelle Verhütungsmittel die sexuelle Lust dämpfen, gibt es bisher nicht. Die mögliche Nebenwirkung einer Depression müsse hingegen im Beipackzettel hormoneller Verhütungsmittel wie Antibabypille, Hormonspirale oder -pflaster angeführt werden, meldete das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Anfang des Jahres. Der Warnhinweis bezieht sich auf eine dänische Studie, die bei jungen Anwenderinnen ein erhöhtes – wenngleich sehr geringes – Risiko feststellte.

Die wachsende Hormonskepsis nahm auch der deutsche Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V. (AKF) im März zum Anlass, den Forschungsstand zu hormonellen Verhütungsmitteln zusammenzutragen. In einer resümierenden Aussendung kritisierte Ingrid Mühlhauser, Vorsitzende des AKF, einen "Mangel evidenzbasierter Gesundheitsinformationen": "Die TeilnehmerInnen des Fachtags mussten feststellen, dass zu vielen Fragen rund um Verhütung qualifizierte Antworten fehlen. Der AKF fordert deshalb vertrauenswürdige, aussagekräftige und von der Pharmaindustrie unabhängige Studien."

Wachsende Skepsis gegenüber Pille und Co – für Christian Egartner eine "Hormonangst", die auch medial befeuert werde. So sei die erhöhte Gefahr einer venösen Thrombose bei bestimmten Gruppen von Anwenderinnen wissenschaftlich belegt, insgesamt seien hormonelle Verhütungsmittel aber sehr risikoarm. "Die Einnahme von Aspirin ist mit höheren Risiken verbunden, trotzdem reden wir ständig über die Nebenwirkungen der Pille", sagt der Gynäkologe und Universitätsprofessor.

Individuell statt pauschal

Kerstin Pirker, die Beratungen zu Verhütungsfragen anbietet, verzichtet aufgrund der aktuellen Forschungslage auf Empfehlungen zu hormonellen Verhütungsmitteln. Wenn Frauen ihr von ÄrztInnen erzählen, die eine Hormonspirale nicht entfernen wollen, weil die geschilderten Nebenwirkungen nur "Startschwierigkeiten" seien, bestärkt Pirker sie in ihren individuellen Entscheidungen. Erfahrungen von Frauen schlichtweg als "hysterisch" abzuwerten – eine patriarchale Tradition, gegen die die Frauengesundheitsbewegung seit jeher ankämpft.

Auch Katharina, die auf die Pille im Langzyklus setzt, kennt Berichte von belastenden Nebenwirkungen und hat sich intensiv über die verschiedenen Präparate informiert. Im Gegensatz zu vieler ihrer Freundinnen ist sie mit ihrem Pillenpräparat rundum zufrieden. "Mir geht es wirklich gut damit", sagt die 31-Jährige. Ganze ohne Schmerzen – und ohne Blutung. (Brigitte Theißl, 23.5.2019)