Die Raumtemperatur beeinflusse nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Leistungsfähigkeit, schreiben die Forscher. Lösungen für den Alltag im Großraumbüro sind noch nicht in Sicht.

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Berlin – Männer schwitzen, Frauen frieren. Das klingt nach einem alten Klischee, lässt sich aber wissenschaftlich belegen und auch in vielen Büros beobachten: Männer drehen das Thermostat runter, ihre Kolleginnen hüllen sich hingegen in textile Zusatzschichten oder drehen den Temperaturregler wieder rauf. Den Hintergrund dafür kennen Wissenschafter längst. Die Stoffwechselrate von Frauen ist niedriger als die von Männern, sie produzieren bei gleicher Tätigkeit weniger Wärme. Die Wohlfühltemperatur von Frauen liegt im Schnitt drei Grad Celsius über der von Männern.

2015 kritisierten niederländische Forscher in einer Studie im Fachmagazin "Nature Climate Change", dass das Klima in Büros meist stärker auf die männlichen Bedürfnisse ausgerichtet sei. Welche Auswirkungen das – vom Frieren der weiblichen Belegschaft einmal abgesehen – haben kann, untersuchten nun Wissenschafter um Agne Kajackaite vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Die Ergebnisse, die sie nun in "Plos One" präsentieren, sind erstaunlich: Je wärmer es in einem Raum ist, desto produktiver und leistungsfähiger sind Frauen. Bei Männern hingegen scheint es umgekehrt zu sein.

16 bis 32 Grad Celsius

Die Studie wurde an insgesamt 543 weiblichen und männlichen Teilnehmern durchgeführt, allesamt Studierende in Berlin. Die Probanden wurden in 24 Kleingruppen aufgeteilt und mussten, ohne das Ziel des Experiments zu kennen, unter kontrollierten klimatischen Bedingungen eine Stunde lang verschiedene Aufgaben lösen. Konkret wurde jede Gruppe im Labor konstant einer Temperatur zwischen 16 und 32 Grad Celsius ausgesetzt.

Zu lösen galt es einfache Rechenaufgaben und Worträtsel, von denen die Teilnehmer möglichst viele absolvieren sollten. Für jedes korrekte Ergebnis erhielten sie eine finanzielle Belohnung. Zudem wurde auch der aus der Psychologie bekannte Cognitive Reflection Test durchgeführt, bei dem überprüft werden soll, ob sich eine Person beim Lösen einer Aufgabe eher auf ein intuitives, aber falsches "Bauchgefühl" verlässt oder stärker reflektiert.

Hitzige Höchstleistung

Die Ergebnisse für die Rechenaufgaben und die Worträtsel zeichnen den Autoren zufolge ein recht eindeutiges Bild: Je höher die Raumtemperatur war, desto produktiver wurden die Probandinnen. Sie lieferten in wärmeren Umgebungen nicht nur signifikant mehr Antworten, sondern lagen mit ihren Lösungen auch häufiger richtig. "Überraschenderweise nahmen ihre Leistungen nicht ab einer gewissen Höchsttemperatur wieder ab", sagte Kajackaite zum STANDARD. "Bei 33 Grad Celsius lösten die Teilnehmerinnen 30 Prozent mehr Rechenbeispiele als bei 16 Grad." Allerdings dauerten die Versuche nur eine Stunde – ob der Effekt länger anhalten würde, sei unklar.

Die männlichen Teilnehmer erbrachten hingegen insgesamt bessere Leistungen unter kühleren Bedingungen und wurden mit steigenden Temperaturen unproduktiver. "Der beobachtete Effekt war aber bei den Frauen stärker", so die Forscherin. Die Ergebnisse des Cognitive Reflection Test schienen von der Temperatur nicht beeinflusst zu werden, weder bei Frauen noch bei Männern.

Die Ergebnisse würden klar zeigen, dass die Raumtemperatur nicht nur eine Sache des Wohlbefindens sei, sondern die Produktivität und Leistung beeinflusse, schreiben die Forscher. Im nächsten Schritt wollen sie das Experiment wiederholen und die Versuchsdauer erhöhen. Vielleicht, so die Hoffnung, ließen sich irgendwann Temperaturempfehlungen je nach Belegschaft eines Büros ableiten. Zumindest bis dahin geht der Kampf ums Thermostat wohl weiter. (David Rennert, 22.5.2019)