Eines der im Toten Gebirge entdeckten 215 Millionen Jahre alten Phytosaurier-Fossilien. Die Tiere glichen zu Lebzeiten heutigen Krokodilen.

Foto: APA/NHMW/ALICE SCHUMACHER

Wien – Wissenschafter haben im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien eine bisher unbekannte Urzeitechse entdeckt. Die dort seit Jahren ausgestellten fossilen Überreste von vier rund 215 Millionen Jahre alten Phytosauriern, die vor über 30 Jahren in den Nördlichen Kalkalpen gefunden wurden, entpuppten sich bei eingehender Untersuchung als neue Spezies, berichten Forscher im Fachblatt "Zoological Journal of the Linnean Society".

Die Fossilien wurden 1980 vom Lehrer und Höhlenforscher Josef Steinberger in knapp 2.000 Meter Seehöhe im weglosen Gelände des Toten Gebirges entdeckt. Zwei Jahre später wurde von Mitarbeitern des NHM eine 350 Kilo schwere Gesteinsplatte mit den Knochenresten geborgen. Mit dabei war damals der mittlerweile pensionierte NHM-Spezialist für fossile Fische und Koautor der aktuellen Studie, Ortwin Schultz.

Im Museum wurden die Fossilien präpariert und von einem italienischen Paläontologen als Mystriosuchus planirostris identifiziert. Dabei handelt es sich um eine Phytosaurier-Art, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt war. Unter diesem Namen sind die Fossilien seither im NHM ausgestellt.

Konvergente Evolution

Die Tiere sind von ihrer äußerlichen Erscheinung und ihrer Lebensweise im Wasser und an Land Krokodilen sehr ähnlich, manche Phytosaurier-Arten werden auch als Löffelkrokodile (Mystriosuchus) bezeichnet. Dennoch sind sie nicht mit den heute lebenden Reptilien verwandt, ihre Ähnlichkeit dürfte das Ergebnis einer konvergente Entwicklung sein, also auf die ähnlich gestaltete Lebensweise in ähnlicher Umgebung zurückgehen.

Der britische Paläontologe Richard Butler von der Universität Birmingham untersucht 2011 als Postdoc an der Uni München deutsche Phytosaurierfunde und besuchte im Zuge seiner Arbeiten auch das NHM in Wien. Ab 2013 untersuchte er mit britischen, französischen, Schweizer und österreichischen Wissenschaftern die Fossilien in Wien genauer. Die Ergebnisse dieses Projekts wurden nun veröffentlicht.

Vier Jungtiere

Aufgrund spezieller anatomischer Merkmale, u.a. der Anzahl der Zähne im Oberkiefer, grenzten die Wissenschafter die Fossilien als neue Art ab und benannten sie nach dem Finder Mystriosuchus steinbergeri. Es zeigte sich, dass es sich um die Überreste von vier Tieren der gleichen Art handelt, die zum Zeitpunkt ihres Todes rund acht Jahre alt waren. Sie waren bereits vier Meter lang, den Knochenanalysen zufolge befanden sie sich aber noch mitten im Wachstum.

Gerhard Mandl von der Geologischen Bundesanstalt in Wien analysierte das Gestein, in dem die Knochen gefunden wurden. Er konnte damit das Alter der Fossilien auf etwa 215 Millionen Jahre bestimmen und Rückschlüsse auf die damaligen Lebensbedingungen ziehen. Dachsteinkalk entstand aus Meeresablagerungen einer tropischen Lagune. Unmittelbar neben den Knochenresten fanden sich zahlreiche Fischzähnchen, die typisch für Fische sind, die sich von hartschaligen Organismen wie kleinen Muscheln und Schnecken ernähren, ganze und zerbrochene Schneckengehäuse sowie Stacheln von Seeigel, die nur in Meerwasser leben können.

Phytosaurier lebten auch im Meer

"Da hier die Knochenreste von vier Tieren gemeinsam im Gestein eingebettet sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie von einem weit entfernten Festland in die Lagune eingeschwemmt worden sind. Sie werden wohl hier gelebt und aus noch unbekanntem Grund gleichzeitig umgekommen sein", erklärte Mandl. Bei den meisten Phytosauriern geht man davon aus, dass sie im Süßwasser gelebt haben. Die Fossilien aus dem Toten Gebirge seien neben einem Einzelfund in den Dolomiten allerdings "der bisher sicherste Anhaltspunkt dafür, dass die Echsen auch im Meer gelebt haben", so Mandl. (APA, red, 22.5.2019)