Meine Angewohnheit, mir Fundstücke aus Zeitungen auszuschneiden, wirkt heutzutage wie die trotzige Marotte eines hartnäckigen Print-Fans. Doch manchmal beschert mir diese Methode Preziosen, die man nicht im Internet findet. Im konkreten Fall ein halbseitiges, in Form eines Briefes von Heinz-Christian Strache gestaltetes Inserat der FPÖ, das am 11. April in der "Kronen Zeitung" erschienen ist. Neben einem Foto des strahlend lächelnden Damals-noch-Vizekanzlers steht die Überschrift: "Unsere "Krone": Flaggschiff und ein Stück Heimat". Darunter erfährt man, dass das Flaggschiff "Krone" "ein Stück Heimat ist, das man vermisst, wenn man im Ausland ist".

Erst jetzt wissen wir, welche "Krone"-Delirien dieses "Vermissen" beim Ex-Obmann der "sozialen Heimatpartei" auslösen kann, sobald er sich im Ausland Ibiza befindet.

Dass diese Insel nun als "neues Knittelfeld" bezeichnet wird, scheint aber hinterfragenswert, zumal es doch einige historische Unterschiede gibt.

National-Dolme Scheuch und Gudenus

Allein was die aktionistische Selbstmord-Symbolik betrifft: Hatte sich die FPÖ am Knittelfelder Parteitag durch den Kärntner National-Dolm Kurt Scheuch auf offener Bühne zerreißen lassen, so ließ sie sich diesmal durch eine Pistolen-Pantomime des Russen-Büttel Johann Gudenus umnieten. (Das Wort "umnieten" erscheint angesichts des Schützen in mehrfacher Hinsicht passend.) Konnte man einst in der steirischen Eisenbahnerstadt noch eine vom Rausch der Gefühle ausgelöste kollektive Blicktrübung als Ausrede bemühen, so kann man sich jetzt auf der balearischen Gasgeber-Insel nur auf plötzliche Schneeblindheit berufen.

Was die daraus zu ziehenden Lehren für uns alle anbelangt, gibt es ebenfalls einen wesentlichen Unterschied: Durfte man 2002 die Einsicht, dass die FPÖ nicht regierungsfähig ist, noch mit einer gewissen Nachsicht als Neuigkeit interpretieren, so birgt sie 2019 einen Erkenntniswert à la "in der Dunkelheit sieht man nicht so weit wie bei Tageslicht, wo man weiter sicht". Das Ignorieren dieser Realität, wie es von einigen Regierungspropagandisten in den vergangenen eineinhalb Jahren praktiziert wurde, muss so gesehen – um beim Vergleich mit der Dunkelheit zu bleiben – nicht unbedingt als bewusstes Lügen beurteilt, sondern könnte als temporäre Umnachtung entschuldigt werden.

Weiter gärender Ibiza-Sumpf

Das soll aber nicht heißen, dass aus dem wohl noch lange weiter gärenden Ibiza-Sumpf nicht auch Neues erwachsen könnte.

Zum Beispiel Erkenntnisse der Korruptionsstaatsanwaltschaft über illegale Parteienfinanzierung und die diesbezüglichen Befindlichkeiten von Gaston Glock, René Benko oder Novomatic. Oder die enttäuschende Einsicht für Gottfried Küssel, dass sein Wissen über "lustige Auftritte" eines "im stillen Kämmerlein den großen Nationalsozialisten Spielenden" rasant an Sprengkraft verliert, wenn es sich dabei nurmehr um einen Ex-Vizekanzler handelt. Und auch das Flaggschiff "Krone" könnte, nachdem die blauen Möchtegern-Piraten vor Ibiza über die Planke gegangen sind, künftig daran arbeiten, dass Straches Ansage, "Journalisten sind die größten Huren", widerlegt wird. Vielleicht hatte der Mann einfach nur zu viel Kontakt mit Wolfgang Fellner. (Florian Scheuba, 23.5.2019)