Die Mikrofossilien von Ourasphaira giraldae repräsentieren vermutlich den ältesten bisher entdeckten mehrzelligen Pilz.

Foto: Corentin Loron et al/ University of Liège

Lüttich – Neben den Tieren und den Pflanzen stellen die Pilze das dritte große Reich innerhalb der eukaryotischen Lebewesen dar. Während sie lange Zeit zu den Pflanzen gerechnet worden waren, geht man heute davon aus, dass sie näher mit den Tieren verwandt sind. Vermutlich waren sie auch die ersten Lebewesen, die noch vor den Pflanzen das Land besiedelt haben – mehr noch: Wissenschafter vermuten, dass Pilze den Pflanzen erst den Landgang ermöglicht haben.

Bisherige Fossilien aus der Frühzeit dieser Gruppe, von denen nur sehr wenige existieren, ließen vermuten, dass echte Pilze spätestens vor etwa 500 Millionen Jahren erstmals aufgetreten sind. Ein aktueller Fund legt allerdings nahe, dass man sich dabei um gut eine halbe Milliarde Jahre geirrt hat: Ein Team um um Corentin Loron von der Universität Lüttich hat nun die Entdeckung eines Pilzes im Schiefergestein aus dem Nordwesten Kanadas verkündet, der vermutlich bereits vor gut einer Milliarde Jahre existiert haben dürfte.

O. giraldae lebte in einer Flussmündung

Ourasphaira giraldae, so der wissenschaftliche Name des Lebewesens, repräsentiert damit den älteste eindeutig datierten Nachweis eines Vertreters aus der Pilze. "Da O. giraldae im Flachwasser-Mündungsschiefer der Grassy-Bay-Formation konserviert ist, hat dieser Pilz möglicherweise in einer Mündungsumgebung gelebt", berichten die Forscher in der Fachzeitschrift "Nature". Die Ansammlung von organischen Abfallprodukten anderer Lebewesen in diesem Bereich könnte ihnen zufolge dazu geführt haben, dass der Pilz recht gut wachsen und gedeihen konnte. O. giralda weist den Forschern zufolge die größte Ähnlichkeit mit einer Pilzgruppe auf, zu der auch die Schlauchpilze und die Ständerpilze gehören."

Unter anderem durch den Abbau organischer Substanzen, als Partner in einer Symbiose und durch die Bindung von Phosphat spielen Pilze eine Schlüsselrolle in biologischen Kreisläufen. Sie könnten damit auch eine wichtige Rolle bei der Eroberung des Landes gespielt haben, schrieben die Forscher. "Die spätere Besiedlung von Landgebieten durch Pilze könnte der Besiedlung von Land durch Pflanzen durch Wurzelsymbiosen und durch Bodenverarbeitung vorausgegangen sein und diese unterstützt haben." Pilze hätten ökologische Nischen geschaffen, den Boden verbessert sowie die Nährstoffaufnahme und die oberirdische Produktivität gesteigert.

Bis zu einer Milliarde Jahre alt

Loron und Kollegen bestimmten das Alter der unter den Fossilien liegenden Schicht mit der Uran-Blei-Datierung auf etwa eine Milliarde und zehn Millionen Jahre. Mit der Rhenium-Osmium-Datierung konnte organisches Material aus der Schicht über den Fossilien auf etwa 892 Millionen Jahre taxiert werden. Der versteinerte Pilz Ourasphaira giraldae ist demnach etwa 0,9 bis eine Milliarde Jahre alt. Die bisher eindeutig als Pilze identifizierten Fossilien kommen auf ein Alter von 410 Millionen Jahren (Fundort: Schottland) und 450 Millionen Jahren (Fundort: Wisconsin, USA).

Dass es sich tatsächlich um einen Pilz handelt, belegen die Wissenschafter anhand der Analyse von Formen und Feinstrukturen sowie spektroskopischen Messungen. In den zweischichtigen Zellwänden wiesen die Forscher durch Spektroskopie die organischen Substanzen Chitin und Chitosan nach. Zellulose, der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände, kommt in der Zellwand von Ourasphaira giraldae nicht vor. (red, 25.5.2019)