"Brunco" heißt Caroline Achaintres zotteliges Hündchen, das dabei ist, sich psychedelisch zu transformieren.

Foto: Caroline Achaintre und Arcade, London & Art: Concept, Paris

Ohne Augen kommt Caroline Achaintres "Super-Vette" (2019) aus.

Foto: Caroline Achaintre und Arcade, London & Art: Concept, Paris

Vor zwei Jahren sind Belvedere-Direktorin Stella Rollig auf Messen und in Magazinen erstmals Caroline Achaintres Arbeiten aufgefallen. In Frankreich geboren und in Deutschland aufgewachsen, lebt die Künstlerin seit 20 Jahren in London und bestückt jedes Jahr eine Einzelschau in Großbritannien. Plötzlich aber bekam Achaintre internationale Aufmerksamkeit – und von Rollig eine Ausstellung angeboten.

Eine gute Entscheidung. Im Belvedere 21 packt einen nämlich die Schaulust. Man schaut und schaut – und alles schaut zurück.

Denn fast jedes Ding hier hat Augen. Die zotteligen Wandteppiche ebenso wie die vielfarbig glänzenden Keramiken. Am Anfang der Tapisserie Cruizer mag eine Stadtstruktur gestanden sein, was aber auffällt, sind ihre Augen. Sie zielen auf das menschliche Bedürfnis nach Kommunikation. Zwei Löcher oder Schlitze – mehr braucht es dazu nicht. Man kann sich in der kleinen Ausstellung im Keller herrlich angestarrt fühlen.

Zerfledderte Teppiche

Doch mehr noch würde man alles gerne angreifen. Zum Beispiel weil die 49-jährige Künstlerin ihre Teppiche nicht webt, sondern tuftet. Dabei werden Fäden von hinten durch ein Gewebe geschossen und vorn abgeschnitten. So entstehen flauschige Veloursteppiche. Bei Achaintre sehen diese jedoch aus, als hätte sich eine Katze daran zu schaffen gemacht, überall hängen Fäden heraus. Weil das Ergebnis die Künstlerin an eine kaputte Dauerwelle erinnert, leitet sie davon den Ausstellungstitel Permanent Wave ab.

Womit wir wieder bei Köpfen wären. Begonnen hat Achaintres Faszination für das Antlitz mit Bands wie Kiss oder Slipknot, die auf der Bühne Masken oder Schminke tragen. Die Malerei der deutschen Expressionisten weckte später ihr Interesse an ethnologischen Masken. Masken sind aber auch unabdingbares Requisit für die Science-Fiction-Filme, die Achaintres Arbeit beeinflussen.

Reptilienhaut in Keramik

Während auf den kreischenden Teppichen immer etwas los ist, bezirzen die verführerisch bunten Keramiken subtiler. Nicht alle referieren auf Gesichter. Manche sehen aus wie Reptilienhaut, andere erinnern an die Unterseite eines Blattes oder ein Zellgewebe. Aus dünnem Ton geformt, werfen sie Falten, knittern oder wellen sich.

Weil diese Keramiken so reduziert sind, ist mit einem Schnitt schnell viel zerstört, sagt Achaintre. Ob nun mit oder ohne Augen beeindruckt daher bereits die handwerkliche Qualität. (Michael Wurmitzer, 23.5.2019)