Wegen einer chronischen Instabilität des Sprunggelenks mit Gelenkverschleiß kann es sein, dass Tänzer schon im Alter von 50 eine Prothese tragen müssen.

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Choreografie, Bodenbeschaffenheit und Schuhwerk sind jene drei Faktoren, die Verletzungen bei Tänzern verursachen können. "Wenn die Tänzer sich im charakteristischen relevé bewegen, erheben sie sich mit Muskelkraft von der Sohle auf ihre Mittelfußköpfchen. Da die Sprungbeinrolle vorne breiter ist als hinten, gerät deren schmalerer Anteil zwischen die Knochengabel. Das ist per se eine instabile Situation mit erhöhtem Verletzungsrisiko", sagt Elisabeth Exner-Grave, Leiterin des Kompetenzzentrums für Tanzmedizin am größten Rehazentrum Europas im deutschen Gelsenkirchen.

Die Expertin kritisiert, dass die Prävention von Verletzungen in der Tanz-Ausbildung zu wenig berücksichtigt wird, sodass oftmals schon Tanzstudenten von Sprunggelenkverstauchungen betroffen sind. Dem entgegenzuwirken, verlangt harte Trainingsarbeit. Minuziös müssen die Tänzer ihre Bewegungen koordinieren. In Ermüdungssituationen oder durch chronische Überlastung kann es zu Distorsionstraumen, Bänderrupturen, Muskelverletzungen, Knochenmarködemen und (Ermüdungs-)brüchen kommen.

Verletzungen ausgewertet

Exner-Grave und Eileen M. Wanke vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfur haben 311 Tänzer-Patienten-Fälle aus fünf Jahre ausgewertet. Dabei kam heraus, dass akute Fußverletzungen mit 86,7 Prozent am häufigsten sind, gefolgt von chronischen (51,4 Prozent) und akuten (48,6 Prozent) Sprunggelenkverletzungen sowie chronischen Fußverletzungen (13,3 Prozent). Brüche sind mit 6,7 Prozent am seltensten.

Bei den Verletzungen gibt es geschlechtsspezifische und stilrichtungsabhängige Unterschiede. Hormonelle Einflüsse, sowie die besondere Beweglichkeit nach der Tänzer ausgesucht werden, sind hierbei von Bedeutung. So kann es vorkommen, dass Tänzer wegen einer chronischen Instabilität des Sprunggelenks mit Gelenkverschleiß bereits um das 50. Lebensjahr eine Prothese benötigen.

Die Therapie der Bänderverletzungen ist bis zu 90 Prozent konservativ – nur rund zehn Prozent müssen operiert werden. Letzteres ist der Fall, wenn der gesamte Außenbandkomplex am Sprunggelenk gerissen ist und nur eine Bandplastik die im Beruf geforderte Stabilität wiederherstellen kann. Doch auch die konservative Therapie ist für Tänzer hart. Während ein "Büro-Mensch" mit Sprunggelenk-stabilisierender Schiene in der Regel nach fünf Tagen wieder arbeiten kann, fallen die Tänzer durchschnittlich drei bis fünf Monate aus.

Stufen der Therapie

Ein optimierter Reha-Stufenplan hilft daher beim Wiedererlangen des Tanzvermögens. In den ersten sechs Wochen stehen die relative Ruhigstellung des Sprunggelenks in einer Schiene, abschwellende Maßnahmen sowie die Erhaltung der physischen Fitness außerhalb des Verletzungsgebiets im Vordergrund. Danach liegt der Fokus auf der Wiederherstellung der Beweglichkeit sowie der Kraft. "Hierbei setzen wir tanzspezifische Therapietools wie das Pilates-Geräte-Training ein, sowie eine spezielle Methode, die ein dreidimensionales Muskelfunktionskettentraining im Bewegungsfluss ermöglicht", so Exner-Grave.

Die letzte Reha-Phase bereitet die Tänzer gezielt auf die Arbeits- und Belastungserprobung direkt im Theater vor: ab dann dürfen sie mit dem Ensemble trainieren, aber z.B. noch keine hohen Vertikal- und Horizontalsprünge absolvieren. Erst nach vier weiteren Wochen werden sie als voll leistungsfähig wieder "freigegeben". (red, 25.5.2019)