Herr der Asse: Über 13.000 hat Ivo Karlovic in seiner Karriere serviert. Am Dienstag kamen 35 dazu.

Foto: Foto: APA/AP/Golovkin

Feliciano Lopez ging als Verlierer vom Platz. Als verärgerter noch dazu.

Foto: APA/AP/Golovkin

Alte Schule: Hier wird das Tableau verewigt. Per Handarbeit.

Foto: Philip Bauer

Die Entwarnung vorweg. Ivo Karlovic und Feliciano Lopez sind nicht mit dem Rollator aufmarschiert. Aber gemeinsam hatten der Kroate und der Spanier am Dienstag 77 Jahre und 363 Tage auf dem Buckel. Ein neuer Rekord in der Geschichte der French Open. Ja, die großen Geschichten werden nicht am Center Court geschrieben, der Feinschmecker klappert die Nebenplätze ab. Da kann man den Profis den Kopf streicheln. Und die Ticketpreise lassen die Fans nicht in den Privatkonkurs schlittern.

In der ersten Runde von Paris war also Court sechs the place to be. In der einen Ecke Ivo Karlovic, 40 Jahre alt. In der anderen Ecke Feliciano Lopez, mit 37 Jahren auch kein Nachwuchstalent. Karlovic ist der erste Profi seit Jimmy Connors bei den US Open 1992, der jenseits der 40 Jahre an einem Grand-Slam-Turnier teilnimmt. Was kann er noch? Das, was er immer konnte. Aufschlagen wie ein Berserker. Mehr als 13.000 Asse hat Karlovic in seiner Karriere serviert. Gegen Lopez kommen 35 Stück dazu. Alle waffenscheinpflichtig, Spitzengeschwindigkeit 212 Stundenkilometer.

Man kann unmöglich von einer Partie auf Augenhöhe sprechen. Karlovic ist 211 Zentimeter lang. Lopez, mit 188 Zentimetern auch nicht kurz geraten, sieht neben ihm aus wie der kleinste der Daltons. Das Wort Klassiker wäre an dieser Stelle zu viel des Guten. Aber Karlovic und Lopez spielen das zwölfte Mal gegeneinander, vor der Partie stand es 7:4 für den Kroaten. Die erste Begegnung fand 2004 in Wimbledon statt, Karlovic stieg als Sieger vom Rasen.

Routine und Relation

Wimbledon 2004? Wer hat damals die Trophäe gestemmt? Roger Federer, blöde Frage. Und der ist ja auch schon 37 Jahre alt. Aber der Eindruck soll nicht täuschen: Das Durchschnittsalter in den Top 100 beträgt aktuell 27 Jahre, nur Karlovic ist älter als Federer, nur sieben Spieler sind älter als 35. Es ist eben nicht wie beim Wein. Pete Sampras trat mit 32 zurück, Boris Becker mit 31. Nur um die Relationen zurechtzurücken.

An diesem Tag setzt sich auf Court sechs jedenfalls die Routine durch. Karlovic gewinnt in vier Sätzen mit 7:6, 7:5, 6:7, 7:5. Es ging knapp her, es war ein Kampf auf Biegen und Brechen. Von Alterserscheinungen nichts zu sehen. Nach drei Stunden und sechs Minuten zwingt Karlovic Lopez mit einem gelungenen Halbvolley zum entscheidenden Fehler. Die in Überzahl angetretenen spanischen Fans verstummen, kroatische Anhänger feiern: "Let's go, Ivo, let's go!" Und er ist auch gegangen. So ist das eben, wenn ein Match vorbei ist.

Lopez war nach der Niederlage angesäuert, alles andere als abgebrüht. Er starrte Löcher in den Abendhimmel. Verständlich. Der Spanier hatte Möglichkeiten auf eine Aufholjagd liegen lassen. Im vierten Satz war ihm gegen den Aufschlagkanonier das Break zum 5:3 gelungen, er konnte es nicht bestätigen. Das schmerzt auch nach zwanzig Profijahren.

Es geht noch mehr

In der zweiten Runde trifft Karlovic auf den Australier Jordan Thompson oder den Spanier Alejandro Davidovich Fokina. Alleine für den Monsieur, der die Siegernamen auf der Anlage von Roland Garros per Handarbeit in das Tableau kratzt, wäre es besser, wenn der Australier dieses Match für sich entscheiden würde.

77 Jahre und 363 Tage also. Geht noch mehr? Natürlich. Pancho Gonzales und Torben Ulrich brachten es in der dritten Runde der US Open 1969 gemeinsam auf 82 Jahre und 98 Tage. Gonzales heiratete sechs Mal, verstorben ist er aber an einer Krebserkrankung. Ulrich erfreut sich in Seattle des Lebens, sein Sohn ist Metallica-Schlagzeuger Lars Ulrich. Aber das ist eine andere Geschichte. Die könnte Heinz Prüller besser erzählen. (Philip Bauer aus Paris, 28.5.2019)