Kurz startet jetzt zu seiner Wiederauferstehungstour durch die Lande, um "mit den Menschen zu sprechen". Das hieß früher Wahlkampf, läuft aber jetzt unter dem unausgesprochenen Titel "Der Messias kommt herab".

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Mit Erstaunen nahm der eine oder andere Leser zur Kenntnis, dass Sebastian Kurz nicht wie die anderen Regierungsmitglieder beim Bundespräsidenten erschienen ist, um sich formell des Amtes entheben zu lassen. Muss er auch nicht (vor allem, wenn er nicht mit der Fortführung der Geschäfte betraut wird). Aber der wahre Grund dürfte sein: Der Inszenierungsmeister Kurz will keine hässlichen Bilder, die ihn beim Enthobenwerden zeigen. Das wären Bilder als Verlierer.

Kurz startet jetzt zu seiner Wiederauferstehungstour durch die Lande, um "mit den Menschen zu sprechen". Das hieß früher Wahlkampf, läuft aber jetzt unter dem unausgesprochenen Titel "Der Messias kommt herab". Die erste Station dieser Apotheose war das Fest mit seinen herbeigerufenen Anhängern unmittelbar nach dem Misstrauensantrag und seiner Abwahl. Hier stimmte Kurz sein Mantra an, das aus zwei Botschaften besteht. Erstens: "In diesen heil’gen Hallen kennt man die Rache nicht." "Nehmen wir diese Entscheidung zur Kenntnis", sagte er. "Das ist eine demokratische Entscheidung, und für Wut, Hass, für Trauer ist überhaupt kein Platz." Gut, dass er das sagt, sonst wäre noch jemand auf die Idee gekommen, Wut und Hass zu empfinden.

Aber, und das folgte zweitens: "Heute hat das Parlament entschieden, aber am Ende entscheidet immer das Volk."

Und die türkise Propaganda sendet bereits den Slogan: "Das Parlament hat bestimmt, das Volk wird entscheiden."

Frohbotschaft nach Sebastian

Nur kleinliche Geister können darauf verweisen, dass Österreich eine repräsentative Demokratie ist, in der das Volk seine Vertreter wählt (heißt "Parlament"), die stellvertretend ihre Entscheidungen treffen.

Kurz hat mit dem Parlament nicht viel im Sinn, das hat man schon früher gemerkt, unter anderem an so schweren Fauxpas, wie seine Vertraute Elisabeth Köstinger für ein paar Wochen zur Parlamentspräsidentin zu machen, und an kleinen Dingen, wie dass er sich während der Reden der Abgeordneten sichtlich langweilt. Wie Peter Pilz in der Misstrauensdebatte spontan feststellte: "Auch in der Stunde seiner möglichen Abwahl interessiert sich der Kanzler nicht fürs Parlament, sondern für sein Handy".

Kurz interessiert sich auch insofern nicht für das Parlament, als er nach seiner Abwahl nicht den Klubobmann übernimmt – und überhaupt kein Abgeordnetenmandat haben will. Weil er ungehindert durch die paar Nationalratssitzungen, die es bis zur Wahl noch geben wird, durch die Lande ziehen und dem Volk die Frohbotschaft nach Sebastian predigen will.

Diese politische Strategie wird wahrscheinlich aufgehen, weil viele Leute nicht einsehen, warum Kurz jetzt als Kanzler gehen musste. Aber im Grunde ist sie auf Alleinherrschaft angelegt, auf seine Transformation von einem normalen Parteipolitiker zu einem Gesalbten, zu einem Gesandten des Herrn, für den die kleinlichen Regeln der Parteiendemokratie nicht mehr gelten. Das könnte ein gewisses Problem bedeuten, da eine absolute Mehrheit unwahrscheinlich ist und im Moment niemand da ist, der Sebastian Kurz eine Regierungsmehrheit verschaffen könnte. (Hans Rauscher, 28.5.2019)