Aus einem alten Bett haben geschickte Hände eine kleine Sitzbank gebaut, aus alten Atlanten ist die Oberfläche eines bunten Couchtisches entstanden. Alten Möbeln, die mehrere Generationen auf dem Dachboden einer Wiener Villa überdauerten, wurde neues Leben eingehaucht. Die schönen Stücke werden demnächst das Büro des Instituts für innovative Phytochemie und Kreislaufwirtschaft, "Alchemia Nova", schmücken. In mehreren Sessions wurden die Möbel und Wohnaccessoires aus Materialien gebaut, die sonst auf der Mülldeponie gelandet wären. Dieser Vorgang nennt sich Upcycling und bedeutet, dass aus einem gebrauchten oder bereits entsorgten Objekt ein völlig neues Produkt von höherer Qualität erschaffen wird.

Angeleitet wurden die Upcycler von Christina Skrabal, die zusammen mit ihrem Kollegen Christian Gerhast eine Werkstatt in Wien betreibt und unter dem Label "Miststück" Upcycling-Möbel verkauft. "Menschen bringen uns Stücke, an denen sie aus sentimentalen Gründen hängen und die sie vor der Mülltonne retten wollen", erzählt Skrabal. "Oder es ist etwas Geerbtes von der Oma, das sie scheußlich finden, aber nicht wegschmeißen wollen."

In mehreren Sessions wurden die Möbel und Wohnaccessoires aus Materialien gebaut, die sonst auf der Mülldeponie gelandet wären.
DER STANDARD

Das Leben, das man spürt

Die Möbelstücke, die auf diese Weise entstehen, würden sich "besser anfühlen", ist die Handwerkerin und Designerin überzeugt. "Es ist das Leben, das man spürt, das ist anders als bei Möbeln von großen Ketten." Die Menschen würden zwar weiterhin Neues kaufen, aber das Umweltbewusstsein werde größer, erklärt Skrabal den Trend zu upgecycelten Gegenständen. "Außerdem wollen die Menschen Dinge, an denen das Herz hängen kann."

Was in der Vergangenheit Alltag war – dass man Dinge nicht einfach wegwirft, sondern repariert oder zumindest Teile davon zweckentfremdet und weiternutzt –, ist inzwischen zur Ausnahme geworden. Auch weil sich insbesondere bei Elektro- und Küchengeräten das Reparieren kaum mehr auszahlt: Die Neuanschaffung ist oft billiger als die Reparatur. Viele Produkte haben ihren eigenen Verfall sogar eingebaut – man spricht von geplanter Obsoleszenz. Der ehemalige Nachrichtentechniker Peter Erlebach umreißt das Problem auf drastische Weise: "Je neuer ein Produkt ist, desto schlechter ist es zu reparieren. Die Arbeitsstunde eines Handwerkers kostet 70 Euro. Wenn ein CD-Player 25 Euro kostet, ist klar, dass sich das nicht rechnet. Also landet der CD-Player im Müll, den wir dann in die Dritte Welt verschicken."

Wiederbelebte Kuckucksuhr

Reparieren lohnt sich, auch wenn es sich auf den ersten Blick nicht auszahlt.

Um der Wegwerfmentalität etwas entgegenzusetzen, hat Erlebach vor vier Jahren ein gemeinnütziges Projekt gestartet: Im Repair Café in Wien-Landstraße reparieren einmal pro Woche Fachleute Haushaltsgeräte und Möbel. "Wir nehmen alles an, was man selbst in den Händen tragen kann", erklärt Erlebach. Von der verstummten Kuckucksuhr über den Staubsauger, dem die Luft ausging, bis zum Vibrator wurde schon alles Mögliche ins Repair Café gebracht und fit gemacht.

Der Wirtschaft gehe es nicht darum, "reparierfähige Dinge zu machen", glaubt Erlebach. Es gebe Elektrozahnbürsten, bei denen nach 900 Ladezyklen der Akku kaputt sei. Und dann lande das ganze Produkt einfach im Müll.

Foto: Saris Garage

Für alle, die selbst aktiv werden wollen, gibt es bis zum 7. Juni in Wien die "Aktionstage im Reparaturnetzwerk". Die Reparaturprofis bieten Workshops zum Reparieren und Selbermachen und einen Ladenflohmarkt. Für alle anderen Tage im Jahr haben wir ein paar Tipps gesammelt.

  • Das Repair Café in Wien-Landstraße sucht Elektroniker, Radiomechaniker, HTL- Ingenieurinnen und Handwerker, die Spaß am Reparieren haben. Bezahlung gibt es keine, dafür wird Spaß versprochen.
  • Das Social Business "Heidenspass" bietet in Graz Upcycling-Workshops an. Interessierte können eigene gebrauchte Textilien oder alte Möbelstücke mitbringen und sie unter Anleitung von Profis in Neues verwandeln.
  • In Wien kann man jeden Donnerstag bei Kaffee und Kuchen lernen, kleine Geräte zu reparieren. In der "Schraube 14" in 1140 Wien werden Toaster, Mixer, Bügeleisen oder Föns selbst repariert.
  • Auf dem Blog Saris Garage findet man viele kreative Upcycling-Ideen samt detaillierter Videoanleitung. Wenn es einmal schneller gehen soll, kann man im Shop des Blogs Upcycling-Möbel kaufen.
  • Sein Fahrrad selbst zu reparieren gehört zum Ehrenkodex vieler Radler. In vielen Städten stellen Werkstätten Material und Werkzeug zur Verfügung, oft stehen Profis zur Seite. Eine Liste mit Werkstätten findet man hier: fahrrad.wuk.at
    (os, 2.6.2019)