Teil der Lösung sein: Antje von Dewitz

Foto: Vaude

Eigentlich hatte Antje von Dewitz nicht vor, das Unternehmen ihres Vaters zu übernehmen. Lieber wollte sie sich im Umweltschutz engagieren. Doch ihre Suche nach der besten Möglichkeit, einen Beitrag für eine lebenswerte Welt zu leisten, führte sie schließlich doch in den familieneigenen Betrieb. "Mir wurde da erst bewusst, wie viel Verantwortung, aber auch Handlungsmöglichkeiten ein Unternehmen hat", sagt die 46-Jährige.

Seit 40 Jahren entwickelt die Firma Vaude am klimaneutralen Standort im süddeutschen Tettnang am Bodensee Ausrüstung für Berg- und Radsportler. Schon ihrem Vater, Albrecht von Dewitz, war Nachhaltigkeit wichtig. Er gründete 1994 das Recyclingnetzwerk Ecolog mit dem Ziel, Produkte aus Polyester nach dem Gebrauch zurückzunehmen und wiederzuverwerten.

Doch die Zeit war damals noch nicht reif für die Idee: Es kam zu wenig Kleidung zurück, um daraus Neues machen zu können. "Mir wurde klar, dass einzelne Projekte viel Einsatz erfordern, aber zu wenig bewirken. Deswegen beschloss ich, es muss ganz oder gar nicht sein", sagt Antje von Dewitz.

Nachhaltigkeit als Firmenphilosophie

Sieht man sich genauer an, was Vaude heute macht, erkennt man Nachhaltigkeit dort als Basis einer Firmenphilosophie – und nicht als Greenwashing:

Die gesamte Produktion basiert auf einem strengen Bewertungssystem namens Green Shape, dem über 90 Prozent der Kollektion entsprechen. Alle verwendeten Materialien sind biobasiert, recycelt oder aus Naturmaterialien. Außerdem investiert Vaude in Forschung zu Erdöl-Alternativen wie Rizinusöl für die Kunstfaserherstellung.

Neben dem ökologischen steht der soziale Aspekt im Vordergrund: Als Mitglied der Fair Wear Foundation engagiert sich Vaude für faire Arbeitsbedingungen in globalen Produktionsstätten.

Am Firmenstandort in Süddeutschland sind immerhin 40 Prozent der leitenden Funktionen mit Frauen besetzt. Dazu kommen Sozialprojekte wie die Upcyclingwerkstatt, in der Geflüchtete aus Materialresten neue Produkte fertigen.

Das System neu denken

Dass die Textilindustrie in ökologischer Hinsicht alles andere als eine weiße Weste hat, ist der Unternehmerin bewusst: "Wir wissen, dass wir Teil des Problems sind. Aber wir möchten Teil der Lösung sein."

Um etwas zu bewirken, brauche es das Engagement vieler Unternehmen. Momentan habe man als Firma aber einen Wettbewerbsnachteil, wenn man sich entschließt, Verantwortung zu übernehmen. Um nachhaltiges Wirtschaften attraktiv zu machen und nicht zu bestrafen, müsse sich auch politisch etwas ändern.

Ein Lösungsansatz ist für von Dewitz die Gemeinwohlökonomie. Zurückzuführen auf den österreichischen Autor Christian Felber, werden in diesem Konzept Unternehmen nach ihrem ökologischen und sozialen Verhalten bewertet. "In keiner Verfassung steht‚ dass Wirtschaft dem Profit dient", sagt von Dewitz, die ihren Betrieb nach den Kriterien der Gemeinwohlökonomie führt.

"Wir wollen Vorreiter sein und achten bei allem, was wir tun, nicht nur auf Profit, sondern darauf, fair, ökologisch und profitabel zu wirtschaften." Das Konzept scheint aufzugehen: Schon seit Jahren wächst Vaude erfolgreich.

Der Systemwandel basiert für von Dewitz, selbst begeisterte Bergsportlerin, auch auf innerer Überzeugung: "Ich möchte mein Unternehmen so führen, dass ich meinen vier Kindern in die Augen blicken und sagen kann: Ich habe zur Erhaltung einer lebenswerten Welt beigetragen."

So viel Haltung wird belohnt: Am 12. Juni wird von Dewitz in Wien der Trigos-Ehrenpreis der Unternehmensplattform Resp-Act verliehen, die besonders verantwortungsbewusste Betriebe auszeichnet. (Katharina Kropshofer, 31.5.2019)