Brigitte Bierlein wird die Übergangsregierung anführen.

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Schon in ihrer derzeitigen Funktion hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen sie als "Pionierin" in einer Männerbastion bezeichnet. Das war Anfang des Vorjahres, Brigitte Bierlein wurde als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) angelobt. Jetzt, ein Jahr später, wird die Wienerin erste Kanzlerin – das freilich nur auf Zeit und in einer Übergangsregierung.

Dass Bierlein im Jahr 2002 von der damaligen schwarz-blauen Regierung zur Vizepräsidentin gemacht worden ist, hat bei der Auswahl offensichtlich ebenso wenig geschadet wie auch die fehlende Erfahrung in der Europapolitik.

Brigitte Bierlein: eine Vorreiterin.
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Brigitte Bierlein wird 1949 in Wien geboren. Der Vater ist Beamter, die Mutter bleibt zu Hause, ist äußerst kunstaffin. Es ist eine Faszination, die sie ihrer Tochter mitgibt.

Bierlein will anfangs Künstlerin werden, sich an der Kunstakademie einschreiben. Ein Weg, den sie, auch auf Raten ihrer Mutter, aber dann doch nicht einschlägt. Die Tochter beginnt ein Jusstudium. Die Leidenschaft für die Malerei – aber auch für das Theater – bleibt bis heute.

Law-and-Order-Ruf

Am Beginn noch als Zivilrichterin für Mietrecht zuständig, folgt bald der Wechsel ins Strafrecht. Bierlein wird als 27-Jährige zur Staatsanwältin ernannt, bleibt bis 1986 in der Staatsanwaltschaft Wien tätig. 1990 wird sie Generalanwältin in der Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof. Fast muss man es gar nicht erwähnen: Sie ist hier wieder einmal die erste Frau in dieser Funktion.

Klar ist: Politisch links steht sie nicht. Die Juristin gilt bei Kritikern als wertkonservativ, und dank des Strafrechts steht schnell der Law-and-Order-Ruf im Raum. Die Neo-Kanzlerin wird allerdings auch als empathisch und je nach Sicht als konsensorientiert oder harmoniebedürftig beschrieben. Aus den Sprüchen des Höchstgerichts des vergangenen Jahres lässt sich nichts ablesen. Die Präsidentin stimmt nicht mit. Die Präventivhaftpläne des ehemaligen Innenministers Herbert Kickl lehnte sie öffentlich ab, das Kopftuchverbot nannte sie "problematisch".

So gern sie über die Juristerei spricht, so wenig erzählt sie über ihr Privatleben und über ihre Lebenspartnerschaft mit dem ehemaligen Medienrichter Ernest Maurer. Mit der Übernahme der Kurz-Kanzlerschaft ist es nun jedenfalls mit dem Präsidentinnenposten vorbei. Aber das Aus kommt nur etwas früher als geplant, denn Ende des Jahres wäre Bierlein in Pension gegangen. (Peter Mayr, 30.5.2019)