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Gute Teams haben Bedingungen – gutes Betriebsklima, gute Führung und Erkennen der Talente gehört dazu.

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Dass es noch nie so schwierig war, geeignete Fachkräfte in ausreichender Zahl zu finden, ist eine Tatsache. Der allgemeine Mangel bezieht sich längst nicht mehr nur auf einige wenige Berufsgruppen, sondern reicht vom qualifizierten Logistikfacharbeiter bis zum Experten in der Verwaltung oder der Technik. Das Thema des real existierenden Fachkräftemangels beherrscht auch die Medien. Die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung laden in regelmäßigen Abständen zu inhaltlich gut vorbereiteten Arbeitsgruppen und Workshops ein, um sich als Interessenvertretung mit dem Problem des akuten Fachkräftemangels zu beschäftigen.

Als interessierter Beteiligter nehme ich diese Angebote gern wahr, um zu lernen, wie andere Unternehmen mit dem Thema umgehen. Immer wieder stelle ich fest, dass sich Vertreter der renommierten und begehrten Arbeitgeber der Region mit großem Engagement an diesen Treffen beteiligen. Oft ist zu hören, dass man zwar aktuell noch keine großen Probleme habe, die notwendigen Fachkräfte zu finden (Einzelfälle hat es immer schon gegeben, v. a. in den bekannten Mangelberufen), aber man wolle sich mit dem Thema trotzdem beschäftigen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Vertreter der Unternehmen, die öffentlichkeitswirksam am lautesten das Problem beklagen, habe ich bei diesen Veranstaltungen seltener angetroffen.

Vielleicht würden sie dabei auch Dinge hören, die sie nicht wahrhaben wollen. Bezahlung im Rahmen des Kollektivvertrags allein macht noch keinen guten Arbeitgeber aus. All-in-Verträge mit ganz geringer Überzahlung über dem Kollektivvertrag, mit der dann aber alle Mehrleistungen abgedeckt sein sollen, sind auch noch nicht der Durchbruch zu einer begehrten Arbeitgebermarke. Dass man sich im ortsüblichen Gehaltsniveau bewegt, ist in Zeiten der annähernden Vollbeschäftigung ein Hygienefaktor, wenn die Suche nach Personal erfolgreich sein sollen.

Mehr Spielraum – bis wohin?

Das aktuelle Gejammere, dass die "jungen Leute" eine andere Vorstellung von der Arbeitswelt haben als deren Elterngeneration, hilft auch nicht weiter. Es sind längst nicht nur mehr die Vertreter der jungen Generation, die sich flexible Arbeitszeiten mit entsprechenden Gleitzeitmodellen – auch in der Produktion – wünschen. Vernünftige Home-Office-Regelungen im Administrationsbereich sind beinahe eine Grundvoraussetzung, um auf dem Arbeitsmarkt noch zu punkten. Streng hierarchische und wenig agile Organisationsstrukturen, die tonnenschwer auf jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lasten und damit wenig Hoffnung auf rasches berufliches Fortkommen oder abwechslungsreiche Herausforderungen machen, wirken eher abschreckend als motivierend. Immer öfter werden nicht nur Betreuungspflichten für Kinder und Eltern als Begründung für den Wunsch nach Teilzeit angeführt, sondern auch die Versorgung von Haustieren – wenn man diese als Mitarbeiter nicht überhaupt gleich in die Firma mitbringen möchte. Hier muss sich jedes Unternehmen selbst überlegen, bis wohin es mitkann.

Wahr ist auch, dass es immer schwieriger wird, Leute für Jobs zu finden, bei denen man viel und vor allem im Ausland unterwegs ist. Nicht jeden Abend oder vielleicht sogar nicht einmal jedes Wochenende bei der Familie zu sein ist für viele Arbeitnehmer mittlerweile unvorstellbar. Das gute Geld, das man aufgrund der Zulagen in der Vergangenheit in diesen Berufen verdienen konnte, motiviert scheinbar auch nicht mehr ausreichend. Für international agierende Serviceorganisationen ist das eine massive Bedrohung. Hier sind kreative Modelle gefragt, die in einem vernünftigen Rhythmus zwischen Dienstreisen auch Zeit mit der Familie erlauben.

Abfertigung neu macht mobil

Seit der Abschaffung der Abfertigung alt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wesentlich mobiler geworden. Davor ist man oft trotz bestehender Unzufriedenheit nur deshalb im Unternehmen geblieben, weil man auf das fast steuerfreie "Sparguthaben" Abfertigung nicht verzichten wollte oder konnte. Dafür hat man manchmal auch einiges ertragen (müssen). Ob diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets die Motiviertesten waren, sei dahingestellt. Die Wirkung dieses Bindungsfaktors ist längst weggefallen. Meiner Meinung nach tut es den meisten Unternehmen auch gut, in vernünftigen Zyklen das vorhandene Knowhow mit neuen und externen Erfahrungen aufzufrischen – vorausgesetzt man schafft es, die verwaisten Positionen auch wieder zu besetzen.

Sollte die sechste Urlaubswoche unabhängig von der im Unternehmen zugebrachten Dienstzeit doch noch einmal kommen, fällt ein weiteres Argument, welches gegen einen Arbeitsplatzwechsel spricht, weg. Unternehmen, die sich bereits davor fürchten, sollten nachdenken, warum. Für alle anderen Firmen ist es eine weitere Chance, an gute Fachkräfte zu kommen.

Was eine "gute" Firma ist, entscheiden die Arbeitssuchenden schlussendlich selbst, die Schwarmintelligenz irrt selten. Aber Vorsicht: Einfaches Kopieren von als erfolgreich erkannten Methoden und Mechanismen der guten Arbeitgeber funktioniert nicht. Die Crux bei der Geschichte ist, dass am Ende alles stimmig zusammenpassen muss: Standort, Image, Produkt, Führungskräfte, Angebote für flexibles Arbeiten, Nebenleistungen und schließlich als Hygienefaktor das Gehalt.

Es ist, wie es ist

Die Zeiten, in denen man mit toll aufgemachten Hochglanzbroschüren Absolventen direkt von der Uni abschleppen konnte, sind endgültig vorbei. Arbeitgeberbewertungsportale offenbaren schonungslos die Realität und müssen ebenso durch Human Resources gemanagt werden wie Dienstverträge und Kollektivverträge. Auch hier hilft Jammern nicht weiter.

Auch eines der gerade inflationär verteilten Gütesiegel für begehrte Arbeitgeber hilft nicht automatisch. Es sind kluge Geschäftsmodelle von Beratungsunternehmen, die mit der Panik und Hilflosigkeit mancher Unternehmen, die händeringend Fachkräfte suchen, Geschäfte machen. Auch bei in den Stellenausschreibungen prominent ins Bild gerückten Gütesiegeln offenbart ein kurzer Blick in die Arbeitgeberportale schonungslos die Realität in den Betrieben.

Meine Erfahrungen, über die ich hier berichte, stammen aus dem Industrieumfeld. Im Gewerbe sieht die Sache viel kritischer – um nicht zu sagen bedrohlicher – aus. Gewerbetreibende in der Nähe der Industriehochburgen tun sich sehr schwer, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das liegt nicht nur daran, dass man mit den Löhnen, die in der Industrie bezahlt werden, nicht konkurrieren kann. Es gibt aber auch hier clevere Unternehmer. Ich kann mich an einen Schlossereibetrieb im Herzen einer oberösterreichischen Industriehochburg erinnern, der ein Transparent über die ganze Fassade seines Hauses gespannt hat. Darauf stand in riesigen Buchstaben zu lesen: "Suche Schlosser, keine Schichtarbeit". Damit hat dieser Unternehmer sein Alleinstellungsmerkmal am Arbeitsmarkt der Region gefunden und spricht damit potenzielle Facharbeiter gezielt an, die genau danach suchen – auch wenn die Einkommensmöglichkeiten geringer sind.

Aber: Alle seitens der Mitarbeiter vorgebrachten Arbeitszeitvorschläge, die an Human Resources herangetragen werden, sind nicht realisierbar. Unverschämte Gehaltsforderungen führen auch in Zeiten knapper werdender Fachkräfte nicht immer zum gewünschten Erfolg, und wenn überhaupt, dann nur kurzfristig. Es hat schon öfter Phasen gegeben, in denen einzelne Berufsgruppen in einer wirtschaftlichen Hochstimmung das Maximum für sich herausgeholt haben, um im darauffolgenden Abschwung bitter dafür zu büßen. (Andreas Berger, 6.6.2019)