Am 27. Mai 2019 wurden Sebastian Kurz und seine Regierung abgesetzt.

Cartoon: Michael Murschetz

Der Grazer Theologe Kurt Remele hat in seinem Gastkommentar eine (nicht ganz ernst gemeinte) Marienerscheinung, die mit dem Sturz von Sebastian Kurz zusammenhängt.

"Die zu viel wallfahren, werden selten heilig", warnte der niederländische Geistliche Thomas von Kempen bereits im 15. Jahrhundert. Dessen ungeachtet boomt gegenwärtig das Wallfahrtswesen. Viele Jahre lang organisierte der frühere Raiffeisen-Chef Christian Konrad eine regelmäßige, immens populäre und hochfrequentierte Wallfahrt von Führungskräften und Prominenten zur Gottesmutter nach Mariazell.

Gnadenort ...

Konrads "Seitenblicke-Wallfahrt" stellte ein zentrales Ereignis für Österreichs Eliten dar. Das Geld, das von den pilgernden VIPs für die von Konrad mitinitiierte Aktion "Mariazell braucht ihre Hilfe!" gespendet wurde, trug maßgeblich zur Renovierung der Basilika des Gnadenorts bei.

Das ist eine beachtliche Leistung, die freilich auch eine makabre Seite hat. Die mächtigen, reichen und feinen Leute des Landes wallfahrteten in geschlossener Gesellschaft zu einem heiligen Ort, an dem sie einer außergewöhnlichen jüdischen Frau namens Maria huldigten. Diese Frau hat im biblischen Lukas-Evangelium den als "Magnificat" bezeichneten Lobgesang zu einem Gott angestimmt, der alle Stolzen samt ihren Plänen hinwegfegt, die Mächtigen vom Thron stürzt und die Unterdrückten aufrichtet (Lukas 1, 46-55). Umgeben vom örtlichen Wallfahrtskitsch hofierten honorige Bürgerinnen und Bürger des Landes einer jungen Mutter, deren Sohn einem Narren und Rebellen zum Verwechseln ähnlich sah, an den heiligen Orten seiner Zeit Unruhe stiftete und die dort ansässigen Devotionalienhändler vertrieb. Die subversive Tendenz des Sohnes war freilich auch schon in seiner Mutter angelegt.

Im August 2015 wurde Christian Konrad zum Flüchtlingsberater der damaligen Bundesregierung bestellt. Dadurch wurde sein Blick in die Höhe, um ein Wort des Philosophen Ernst Bloch aufzugreifen, "umgebrochen": Aus dem Pilgerbegleiter der High Society wurde zur Überraschung vieler ein Fürsprecher der Outcasts und ein vehementer Kritiker Sebastian Kurz' und seiner türkis-blauen Bundesregierung. Der türkisen ÖVP attestierte er, nicht mehr christlich-sozial zu sein, die Politiker der FPÖ nannte er "Rotzbuben".

Der Gottesmutter in Mariazell gefiel das außerordentlich. Sie beschloss, Herrn Konrad eine Freude zu bereiten. Maria war es zudem leid, nichts anderes zu tun als erzfrommen Kindern und Jugendlichen im hintersten Winkel der Welt in Tagträumen zu erscheinen. Deshalb erinnerte sie Gott Vater an ihr Magnificat, in welchem sie ihn als jemanden pries, der Mächtige und Stolze vom Thron stürzt und – hier ergänzte Maria die Originalversion ein wenig – jene Politiker hinwegfegt, die sich Heimatlosen gegenüber erbarmungslos verhalten und die Hilfsorganisationen mit Schleppern gleichsetzen, weil sie ertrinkende Flüchtlinge nicht in Länder zurückzubringen, in denen sie systematischer Gewalt ausgesetzt sind. Maria bat Gott, in dieser Hinsicht tätig zu werden und damit probeweise in Österreich zu beginnen.

... und Gottes Wille

"Dein Wille geschehe", sprach Gott zu Maria. Am 27. Mai 2019 wurden Sebastian Kurz und seine Regierung abgesetzt. (Kurt Remele, 31.5.2019)