Bis Freitagabend war noch nicht klar, wer in der künftigen Regierung das Amt des Finanzministers bekleiden wird. Wenn die neue Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und der Bundespräsident auch nur annähernd so vorgehen wie bei der Bestellung des neuen Außen- und Europaministers, dann können die Bürger ruhig schlafen, was die Vertretung in der Europapolitik betrifft.

Alexander Schallenberg ist eine exzellente Wahl, verfügt über große Erfahrungen in Brüssel und in Wien. Zuletzt leitete er die Europasektion im Bundeskanzleramt, damit auf Beamtenebene federführend den EU-Vorsitz 2018. Käme ein absoluter Profi in Sachen Euro und EU-Finanzpolitik dazu, wofür einiges sprach, wären die zwei wichtigsten Ressorts, auf die es für eine starke Vertretung Österreichs auf EU-Ebene ankommt, ideal besetzt. Für Bierlein, auf die wegen Brexits, neuer Kommissionsspitze und EU-Budgets bald einige Bewährungsproben zukommen, eine echte Stütze.

Man sollte aber realistisch sein. Österreichs Gewicht ist naturgemäß nicht groß. Um bestehen zu können, reicht es auch nicht, "neutral" zu verwalten. Das Bierlein-Kabinett wird in EU-Gremien wichtige Entscheidungen mittragen (müssen), die politischen Charakter haben. Da sollte es Mut beweisen, Österreich als das zeigen, was es ist: ein zutiefst proeuropäisches Land, das vom Zusammenwachsen Europas meist profitiert hat. Bierlein sollte großzügig sein, finanziell, vor allem ideell. So könnte Österreich gewinnen. (Thomas Mayer, 31.5.2019)