Wer bewacht die Wächter selbst?", hat sich vor nicht ganz 2000 Jahren schon der römische Satiriker Juvenal gefragt. Der meinte damals zwar nicht die Polizei, aber spätestens seit Alan Moores und Dave Gibbons' auch verfilmtem Comic-Meisterwerk Watchmen ist die Frage in diese Richtung zu verstehen.

Die verstörenden Bilder des Videos eines Polizeieinsatzes in Wien, bei dem offensichtlich ein Beamter einem auf dem Boden fixierten Demonstranten mehrere Schläge versetzt, machen die Frage wieder aktuell. Ob die Gewaltanwendung legal war oder der Fall eines Prügelpolizisten vorliegt, ist noch offen: Die Staatsanwaltschaft wird sich erst ab Montag damit befassen.

Sicher kann man aber davon ausgehen, dass die Sache nicht bekannt geworden wäre, wenn nicht ein Zeuge sein Mobiltelefon gezückt und die Aufnahmen gemacht hätte – sichtbar zum Unwillen anwesender Polizisten. Diese können seit gut einem Jahr filmende Zeugen sogar wegweisen, wenn die Privatsphäre einer Person "unzumutbar gestört" oder durch eine Handlung "berechtigtes Ärgernis" erregt wird. Das sieht der damals novellierte Paragraf 38 des Sicherheitspolizeigesetzes vor. Doch wann das zutrifft, ist eine reine Einschätzungsfrage.

Als couragierter Bürger hat man aber keine andere Möglichkeit: denn selbst wenn eine Amtshandlung offensichtlich rechtswidrig, aber für den Beamtshandelten nicht lebensgefährlich ist – beispielsweise Ohrfeigen –, darf man sich von Rechts wegen nicht einmischen, sondern muss Anzeige erstatten. Deren Erfolgschance ist ohne Videobeweis allerdings recht überschaubar.

Dabei geht es nicht um einen Generalverdacht gegen die Polizei, die ihren nervenzehrenden Job zum überwiegenden Teil einwandfrei erledigt. Aber um Juvenals Frage zu beantworten: Die Bewacher der Wächter sind wir alle. (Michael Möseneder, 2.6.2019)