Fieber ist unangenehm, in den meisten Fällen jedoch eine Abwehrstrategie des Körpers gegenüber Krankheitserregern. Wer Fieber senkt, ist mitunter länger krank.

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Ein Klassiker, den alle schon einmal erlebt haben: Man wacht morgens mit heißer Stirn und glasigen Augen auf, das Schlucken tut weh, da sind auch Kopfweh und Schnupfen. Es folgt der Griff zu einer fiebersenkenden Tablette – und man geht zur Arbeit, als sei alles in Ordnung. Ein anderer Klassiker: Wenn Kinder fiebern, versuchen Eltern durch Anti-Fieber-Präparate wie Ibuprofen oder Paracetamol, umgehend Linderung herbeizuführen. "Dabei ist Fieber grundsätzlich eine sinnvolle, hilfreiche Reaktion des Körpers", sagt Stefan Winkler, Oberarzt an der Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin am Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Wien: "Fieber hilft beim Gesundwerden."

In den meisten Fällen wird Fieber durch Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien ausgelöst. Um sich zu schützen, produziert der Körper dann besondere Botenstoffe, sogenannte Pyrogene, die seine Temperatur ansteigen lassen. Die aktuelle Forschung zeigt: Fieber unterstützt das Immunsystem bei der Abwehr gefährlicher Keime. Die erhöhte Körpertemperatur optimiert die Bekämpfung der Eindringlinge durch bestimmte weiße Blutkörperchen. Fieber, so ergaben Tierversuche, löst in Lymphozyten die Produktion eines Proteins aus, das sonst nicht gebildet wird. Dieses Hsp90 wirkt gleichsam wie ein Scherenschleifer: Es versetzt die Lymphozyten in die Lage, die Krankheitserreger besser packen und attackieren zu können.

Im Bett bleiben

"Wer im Allgemeinen gesund und fit ist, sollte Fieber besser nicht künstlich senken", sagt Winkler. Statt auf fiebersenkende Medikamente zu setzen, sei es häufig sinnvoller, sich einige Tage zu schonen und zum Beispiel eine Erkältung unterstützt von der Kraft des Fiebers auszukurieren. "Ausruhen und viel Tee oder Wasser trinken", empfiehlt er. Oft reiche das völlig aus. "Eine Gefahr durch das Fieber selbst besteht nie."

Menschen, die unter einer chronischen Krankheit leiden, sollten bei Fieber allerdings früh zum Hausarzt gehen. Denn bei diesen Patienten könnte die zusätzliche Herausforderung durch die erhöhte Körpertemperatur das Herz-Kreislauf-System zu sehr belasten. "Und nicht zu vergessen die Signalfunktion", sagt Winkler. "Hohes Fieber kann auch auf einen gefährlichen Infekt hinweisen." Wann man unbedingt einen Arzt aufsuchen sollte? Wenn zusätzlich Bewusstseinsstörungen auftreten, wenn Atemnot besteht, Krämpfe oder starke Schmerzen, Gelenkschwellungen, schwerer Durchfall oder starkes Erbrechen dazukommen. Besondere Vorsicht gilt es auch nach Tropenreisen walten zu lassen – denn in diesem Fall besteht die Möglichkeit, sich mit Malaria oder Denguefieber angesteckt zu haben.

Normal oder erhöht

Den meisten Ärzten gilt eine Körpertemperatur von bis zu etwa 37,4 Grad als "normal". Was darüber liegt, bezeichnen sie als "erhöhte Temperatur" . Spätestens ab 38,3 Grad sprechen sie dann aber von Fieber. Am genausten sind Messungen im Po (rektal). Etwas Creme auf der Spitze des Thermometers erleichtert das Einführen. Zum Messen haben sich batteriebetriebene Digitalthermometer bewährt. Quecksilberthermometer aus Glas dürfen dagegen in Österreich seit 2006 nicht mehr verkauft werden. Denn zerbricht ein solcher Fiebermesser, kann das darin eingeschlossene Quecksilber entweichen und Vergiftungen auslösen.

Auch wenn viele Eltern in Stress geraten, wenn die Anzeige des Fieberthermometers auf 40 Grad Celsius klettert: Insbesondere bei Kindergarten- und Grundschulkindern braucht man sich bei Fieber meist keine Sorgen zu machen. Mädchen und Buben bekommen schneller und häufiger – und oft auch höheres – Fieber als Erwachsene. "Häufig ist bei Kindern eine harmlose Erkältung der Auslöser", sagt Winkler, seltener eine Magen-Darm-Verstimmung. Die dafür verantwortlichen Erreger bekomme das durch das Fieber unterstützte Immunsystem auch ohne medikamentöse Hilfe leicht in den Griff, sagt Winkler. Nach etwa drei Tagen sind Kinder in der Regel wieder gesund.

Ertragen müssen

Die erfahrene Schweizer Kinderärztin Maren Tomaske steht dem Senken von Fieber offener gegenüber. "Fühlt sich ein Kind sehr unwohl, sollte man solche Maßnahmen in Betracht ziehen", sagt die Chefärztin der Kinderklinik im Stadtspital Triemli Zürich. Denn Fieber ist – auch abgesehen von der zugrunde liegenden Krankheit – oft sehr unangenehm. Häufig wird es etwa von Gliederschmerzen, Kopfweh, Unruhe, Appetitlosigkeit und manchmal von Fieberfantasien begleitet. Senkt man das Fieber, gehen die lästigen Begleiterscheinungen meist für einige Stunden zurück, und Kinder finden leichter in den Schlaf. Die Fiebersenker und Schmerzmittel Paracetamol, Mefenacid und Ibuprofen gibt es als Tabletten, Zäpfchen, Saft oder Brausepulver, und sie eignen sich grundsätzlich auch für Kinder. Aspirin sollte bei Kindern und Jugendlichen nicht angewendet werden, weil der darin enthaltende Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) bei Heranwachsenden in Einzelfällen schwere Leber- und Gehirnschäden auslösen kann.

Alarmsignale erkennen

In jedem Fall sollten Eltern und Betreuungspersonen bei Fieber immer wachsam bleiben. Denn in Einzelfällen kann Fieber durch einen gefährlichen Infekt wie etwa eine Lungenentzündung ausgelöst werden, der mit Antibiotika behandelt werden muss. Ist man unsicher, geht man im Zweifelsfall also besser einmal zu oft zum Kinderarzt. "Wichtig ist, das gesamte Befinden eines fiebernden Kindes im Auge zu haben", sagt Tomaske. Klagt es über Schmerzen? Ist es viel lustloser und quengeliger als sonst? Mag es nicht mehr spielen oder trinken? Auf jeden Fall sollte man schnell einen Arzt oder kinderärztlichen Notdienst aufsuchen, wenn sich das Fieber medikamentös nicht senken lässt oder Symptome wie ein steifer Nacken, wiederholtes Erbrechen, Hautausschläge, Apathie oder auch Unruhe und Verwirrtheit hinzukommen.

Im Allgemeinen werde erhöhte Körpertemperatur zu oft künstlich gesenkt, betont Winkler. Fiebersenkende Medikamente sollte man nur anwenden, wenn die Begleitsymptome wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen zu stark werden oder weitere Risikofaktoren bestehen (siehe Kasten). "Fieber selbst ist, auch wenn die Körpertemperatur sehr hoch steigt, für die große Mehrheit der Menschen ungefährlich", ist sich Winkler sicher. Und nicht selten mache es sich bezahlt, die höhere Körpertemperatur trotz oft lästiger Begleiterscheinungen ein paar Tage lang zu ertragen. Denn wer Fieber unterdrücke, lindere zwar vielleicht die Symptome eines Infekts – verlängere aber tendenziell die Dauer der Krankheit. (Till Hein, 4.6.2019)