Als heiß umfehdet und wild umstritten galt unter den Parteien bis zuletzt das Innenministerium – ehe Kanzlerin Brigitte Bierlein den bisherigen Präsidenten der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn mit der interimistischen Führung des Ressorts betraut hat. Angesichts der blauen Gewährsleute, die sein Vorvorgänger Herbert Kickl ihm im Kabinett und in der Kommunikationsabteilung hinterlassen habe, sieht ein Insider auf Peschorn "eine große Herausforderung" zukommen – nämlich dafür zu sorgen, dass keine für den Wahlkampf ausschlachtbaren Informationen gleich direkt zur FPÖ gelangen.

Die Zentrale in der Wiener Innenstadt hat Michael Sika, in den Neunzigern Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, einmal als "Schlangengrube" bezeichnet – und dieser Befund gilt offensichtlich bis heute.
Foto: Matthias Cremer

Pikanterweise hat sich zuvor eine Allianz aus Rot, Blau, Pink und Liste Jetzt gegen die Beförderung von Oberösterreichs Landespolizeidirektor Andreas Pilsl zum Innenminister gestemmt – vor allem mit dem diametralen Argument, dass mit ihm wieder "die schwarzen Netzwerke" im Palais Modena zu wuchern beginnen könnten.

Mit über 30.000 Mitarbeitern, davon rund 28.000 Polizisten, gilt das Innenministerium als das mächtigste Ressort, das von A wie Asyl bis Z wie Zivildienst und auch noch für die Durchführung von Wahlen zuständig ist. Damit nicht genug, ist es auch der größte Arbeitgeber im Land, quasi ein Staatskonzern mit einem Haushaltsvolumen von 3,2 Milliarden Euro. Die Zentrale in der Wiener Innenstadt hat Michael Sika, in den Neunzigern Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, einmal als "Schlangengrube" bezeichnet – und dieser Befund gilt offensichtlich bis heute. Doch das war nicht immer so.

Rückblick: Sieht man von der provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner ab, amtierten von Ende 1945 bis zur Jahrtausendwende zehn rote Minister im Innenressort – wenn auch mit einem kurzen schwarzen Intermezzo Ende der Sechzigerjahre. Bis dahin galt in der Beamtenschaft das Motto "Leben und leben lassen" – und die proporzgeleitete Farbenlehre lautete damals so: Ein roter Sektionschef bekommt einen schwarzen Stellvertreter, ein schwarzer Landespolizeichef dafür einen roten Vize.

Brutale Umfärbung statt friedlicher Koexistenz

Doch im Jahr 2000 stieg unter Schwarz-Blau der Niederösterreicher Ernst Strasser (ÖVP) zum Innenminister auf – und all diese ungeschriebenen Gesetze für eine friedliche Koexistenz im Apparat brachen in sich zusammen. Im Zuge von Strukturreformen – allen voran der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie – wurden österreichweit 400 neue Chefposten besetzt. "Unter Strasser ist die große Verbissenheit angebrochen", erinnert sich ein Bediensteter an die großangelegten Umfärbungen, die dann folgen sollten.

Denn Strasser wollte und brauchte Vertrauensleute in allen Etagen. Wer sich zu SPÖ-Zeiten emporgearbeitet hatte, galt als rot – und musste oft weg. Eine Auswahl an unzähligen Beispielen aus diesen Tagen: Gendarmeriegeneral Oskar Strohmeyer versetzte Strasser erst zur Flugrettung, dann in Frühpension. Den Chef der Wiener Sicherheitswache, Franz Schnabl, heute SPÖ-Chef in Niederösterreich, enervierte der ÖVP-Minister so lange, bis sich dieser zu Frank Stronach vertschüsste. Sektionschef Wolf Szymanski degradierte Strasser ebenfalls.

Eine restlose Aufarbeitung dieser Ära hat bis heute nicht stattgefunden – wohl aber brachte der Grüne Peter Pilz, jetzt bei Jetzt, nach Strassers Abtritt als Minister im Jahr 2004 vielsagende E-Mails über Postenbesetzungen an die Öffentlichkeit. So warnte dessen Personalchef Michael Kloibmüller einmal seinen Chef vor einem SPÖ-nahen Polizisten, für den sich aber offenbar Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll eingesetzt hatte, mit folgenden Zeilen: "der von pröll angesprochene kandidat ist nicht unsererer!!!! (...) man sollte lh von weiterem engagement abraten."

Blaue Panik wegen Pilsl

Methoden wie diese führte die FPÖ übers Wochenende übrigens gegen Ministeranwärter Pilsl ins Treffen, weil der Oberösterreicher einst Referent im Kabinett von Strasser war. Dabei versuchte nach zehn Jahren rot-schwarzer Koalition auch Kickl als Ressortchef umgehend, seine Vertrauensleute in wichtige Ämter zu hieven. Als mächtigsten Beamten auf den unter Türkis-Blau geschaffenen Posten des Generalsekretärs holte er sich Peter Goldgruber, ein Gründungsmitglied der freiheitlichen Personalvertretung AUF, aus der Wiener Polizei.

Allerdings erschwerten Kickl einige Schachzüge weitreichendere Umfärbungen: Kurz bevor der Freiheitliche das Amt des Innenministers übernahm, setzte die ÖVP alles daran, die in der schwarzen Ära besetzten Führungsposten auf weitere fünf Jahre zu sichern. Sicherheitsgeneraldirektor Konrad Kogler quittierte dennoch bald seinen Job. Detto Nachfolgerin Michaela Kardeis. Der Posten ist nach wie vor unbesetzt. Interimistisch erledigt Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamts, bis heute den Job des höchsten Polizisten des Landes. Denn Kickls Last-Minute-Einsetzung von Goldgruber wurde sofort von Kurzzeitminister Eckart Ratz gekippt. (Michael Simoner, Nina Weißensteiner, 4.6.2019)