Sebastian Kurz wirbt für sich. Die anderen Parteien befinden sich wahlwerbetechnisch noch in der Schockstarre.

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Die ÖVP hatte ihren Wahlkampf noch am Tag des Platzens ihrer Koalition mit der FPÖ begonnen. In mehreren Mails wandten sich ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Kanzleramtsminister Gernot Blümel an die Sympathisanten – und versehentlich auch an den Verteiler der Journalisten. Und die ÖVP bleibt dran. Beharrlich und konsequent wird täglich Wahlkampf gemacht, auch wenn Kurz im STANDARD-Interview beteuerte, einen kurzen und knackigen Wahlkampf führen zu wollen, der erst im September voll ausgerollt werden solle.

Derzeit läuft die Wahlwerbung der Volkspartei vor allem über die sozialen Medien. Das ist nicht nur äußerst effizient, sondern auch kostengünstig. Im Interview hatte Kurz immerhin angekündigt, die festgelegte Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro diesmal aber wirklich einhalten zu wollen. Aus den Fehlern der Vergangenheit habe man gelernt. Zur Erinnerung. Im Wahlkampf 2017 hatte die ÖVP sechs Millionen Euro mehr ausgegeben, als erlaubt sind.

"Enormer Zuspruch"

Am Sonntag postetet Sebastian Kurz auf Facebook: "Ich freue mich über den enormen Zuspruch in der Bevölkerung. Die Mehrheit hat für den Sturz der gesamten Regierung durch Rot-Blau kein Verständnis. Ihnen allen verspreche ich: Unser Weg hat erst begonnen! Bis zur Wahl im September heißt es jetzt, die Übergangsregierung bestmöglich zu unterstützen." Dazu teilte er einen Artikel aus der Kronen Zeitung mit einer "Exklusiv-Umfrage". Titel: "Kurz hebt ab, SPÖ bricht ein".

Das Ergebnis dieser Umfrage, die Unique Research im Auftrag der Krone durchführte: Derzeit käme die ÖVP auf 38 Prozent, die SPÖ auf 21, die FPÖ auf 19, Neos und Grüne auf jeweils zehn Prozent, die Liste Jetzt auf nur ein Prozent. Das würde für die ÖVP ein gewaltiges Plus gegenüber der Wahl 2017 bedeuten, für die SPÖ und die FPÖ jeweils einen Absturz von sechs, sieben Prozentpunkten. Die Grünen wären demnach wieder im Parlament, die Liste Jetzt nicht mehr. Auch die Tageszeitung Österreich ließ vom Research-Affairs Institut eine Umfrage durchführen, das Ergebnis ist in etwa gleich mit jenem in der Krone: Die ÖVP legt auf 38 Prozent zu, die FPÖ fällt auf 18 Prozent zurück. Die SPÖ liegt bei 26 Prozent, die Neos kommen auf neun und die Grünen auf fünf Prozent.

Wie durchgebürstet die Wahlkampfstrategie der ÖVP ist, merkt man an den Stellungnahmen ihrer Funktionäre. Zwei Botschaften kommen immer vor: Wie ungerecht die Abwahl von Sebastian Kurz ist, noch dazu gegen den Willen einer Mehrheit von Österreichern, und zweitens, wie böse diese Koalition aus SPÖ und FPÖ ist, die die Abwahl von Kurz erst ermöglicht hat.

Immer die gleiche Botschaft

Auf dieser Botschaft wird die ÖVP wohl draufbleiben. In allen Abwandlungen kommt immer das Gleiche heraus: Sebastian Kurz. Der lange Wahlkampf könnte für dieses Vorhaben nicht unbedingt förderlich sein. Mit einem kolportierten Wahltermin Ende September gäbe es aus jetziger Sicht vier Monate Wahlkampf. In dieser Zeit könnte sich die Botschaft Sebastian Kurz abnützen, wenn es nichts Neues zu berichten gibt. Vor allem auch dann, wenn die am Montag angelobte Übergangsregierung ihre Arbeit tadellos erledigt und sich die Empörung über die Abwahl von Kurz legt. Dass es auch ohne Kurz nicht zu Notstand und Chaos kommt, ist nicht die Botschaft, auf die die Strategen der Volkspartei gehofft hatten. Je mehr Streit und Verunsicherung, umso besser käme der Ruf der ÖVP nach Stabilität – in Person von Kurz – an.

Auffallend sind dieser Tage aber nicht nur die Wahlkampfaktivitäten von Kurz und der Volkspartei, sondern auch die Nichtaktivitäten der anderen Parteien. Die wurden offenbar allesamt auf dem falschen Fuß erwischt. (Michael Völker, 4.6.2019)