Das Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel.

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Wien/Brüssel – Die EU-Kommission hat den Zustand der österreichischen Staatsfinanzen gelobt. "Zum ersten Mal, seit es das Europäische Semester gibt, sehen wir, dass im Großen und Ganzen alles passt", sagte Kommissionsvertreter Marc Fähndrich am Donnerstag bei der Vorstellung der jährlichen Kommissionsempfehlungen in Wien. Darum werde es keine Budgetempfehlung geben.

Der Rat sei davon überzeugt, dass Österreich die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes 2019 und 2020 einhalten werde, sagte Fähndrich unter Verweis auf das starke Wirtschaftswachstum. Der staatliche Schuldenstand, der derzeit bei 73,8 Prozent der Bruttoinlandsproduktes liege, könne bis 2023 unter den in den EU-Konvergenzkriterien vorgeschriebenen Grenzwert von 60 Prozent fallen.

"Nicht viel einmischen"

Das "Europäische Semester" ist ein Instrument zur wirtschaftlichen und finanziellen Koordinierung in der EU. Es warnt allgemein vor makroökonomischen Ungleichgewichten und spricht an die EU-Mitgliedsstaaten Empfehlungen aus. Fähndrich betonte, dass es sich hier um unverbindliche Empfehlungen seitens der EU handle. "Wir wollen uns hier nicht zu viel einmischen", sagte er. Ziel sei es stattdessen, "Änderungen und Reformen in Europa" zu ermöglichen.

Fähndrich bekräftigte die bereits am Mittwoch von der EU-Kommission in Brüssel vorgestellten länderspezifischen Empfehlungen für Österreich, die im Juni noch von den Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden sollen. So solle dieses das gesetzliche Pensionsalter anpassen. Bis 2070 könnten sich wegen des demografischen Wandels die Kosten für die stationäre Pflege verdoppeln.

Kosten im Gesundheitswesen

Fähndrich sieht zwar die Tragfähigkeit des österreichischen Gesundheitssystems als gewährleistet an, warnte aber vor steigenden Kosten. Wenngleich die Lebenserwartung der Österreicher immer weiter steige, steige damit auch die Zahl der "nicht gesunden Lebensjahre" – also der Zeit, die die Menschen in Krankheit verbringen. Österreich verfüge hier über einen der höchsten Werte innerhalb der EU: So sollen Frauen rund 32 Prozent, Männer rund 28 Prozent ihrer Lebensjahre in einem "von Krankheit geprägten Zustand" verbringen.

Der demografische Wandel bringe zudem Probleme in der Pensionsvorsorge mit sich. Das Pensionsantrittsalter angesichts der steigenden Lebenserwartung nicht zu erhöhen, hat laut Fähndrich ökonomisch keinen Sinn. Besonders bei Frauen steige das Risiko für Altersarmut, weil sie tendenziell überdurchschnittlich viel in Teilzeit arbeiteten und früh in Pension gingen.

Fehlende Kinderbetreuung

Laut Josef Vasak vom Europäischen Semester liege in Österreich die Teilzeitquote von Frauen bei rund 50 Prozent und stelle somit den EU-Spitzenwert dar. Grund dafür seien die fehlende Kinderbetreuung und die Pflege von älteren Familienmitgliedern. Vasak empfahl darum den Ausbau "qualitativ hochwertiger und leistbarer Kinderbetreuung". "Die Sozialpartner und die Wirtschaft müssen hier ihre Verantwortung wahrnehmen", sagte er.

Vasak berichtete zudem, dass Frauen in Österreich durchschnittlich in weniger gut bezahlten Jobs arbeiteten, als Männer. "Hier wird Potenzial nicht genützt, denn Frauen leben länger und sind oft besser ausgebildet", führte er aus. Mit einer Förderung der Vollzeitbeschäftigung für Frauen könne man das durchschnittliche Haushaltsbudget der Menschen um "rund 500 Euro" steigern. Zudem führe dies zu mehr Steuereinnahmen und weniger Armutsrisiko.

Hohe Vermögensungleichheit

Fähndrich verwies zudem darauf, dass die Steuerlast in Österreich besonders von der arbeitenden Bevölkerung getragen werde. "Es gibt immer mehr Menschen, die von den arbeitenden Menschen abhängig sind", sagte er. "Aus unserer Sicht wurde das noch nicht ausreichend verbessert", fuhr er fort und schlug vor, die Steuerlast auf andere Quellen zu verlagern, die einem "inklusiven und nachhaltigen Wachstum stärker förderlich sind". So seien die Vermögens-, Umwelt-, Kapital-, Grund- und Körperschaftssteuern in Österreich im Vergleich zu den anderen EU-Staaten niedrig. Dies trage auch zur "hohen Vermögensungleicheit" in Österreich bei. (APA, 6.6.2019)