Rom – Die italienische Regierung hat angesichts des von der EU-Kommission empfohlenen Defizitstrafverfahrens Bereitschaft zum Dialog mit Brüssel signalisiert, will aber an den umstrittenen Sozialreformen festhalten. "Bei den Maßnahmen zum sozialen Schutz sind keine Ausgabenkürzungen geplant", sagte Premier Giuseppe Conte am Donnerstag.

Conte bezog sich dabei auf eine im April in Kraft getretene Pensionsreform, die Frühpensionierungen erleichtert, sowie auf das Grundeinkommen. Beide Maßnahmen werden von Brüssel als kostspielig bezeichnet. "Die bereits beschlossenen Reformen werden umgesetzt", sagte Conte. Er werde sich um die Abwendung eines EU-Strafverfahrens bemühen. "Ich will nicht der erste italienische Premier sein, der ein EU-Strafverfahren erleidet", sagte er.

Der Premier zeigte sich auch optimistisch, dass die Regierung weiter im Amt bleiben werde. Sollten die Koalitionskräfte Willen zur Zusammenarbeit bezeugen, sei er fest entschlossen, weiterzuregieren. Ein Regierungssturz sei jedoch nicht ausgeschlossen. "Niemand sollte mich fragen, ob man im September, Oktober, November oder im Dezember wählt. Ich bin nicht bereit, dahinzusiechen", sagte Conte.

EZB-Präsident Mario Draghi hat im Haushaltsstreit zwischen der Regierung seines Heimatlandes Italien und der EU einen glaubwürdigen Plan zum Schuldenabbau eingemahnt. Niemand verlange einen raschen Rückgang der Verbindlichkeiten, da dies nicht möglich sei, sagte Draghi nach der Zinssitzung der EZB in Vilnius. Aber es müsse einen glaubwürdigen Plan zur mittelfristigen Senkung der Schulden geben.

Warnung vor Mini-Bots

Draghi kritisierte zudem ein Votum des Parlaments in Rom, die Ausgabe sogenannter Mini-Bots zu erwägen. Diese seien entweder gleichbedeutend mit Geld und damit illegal. Oder sie seien Schulden, dann wachse der Schuldenberg Italiens. Die Papiere sollen den Plänen zufolge etwa als staatliche Gutscheine dienen, die für die Zahlung von Leistungen von Unternehmen eingelöst werden können. Experten sehen darin den Versuch, eine Parallelwährung zum Euro einzuführen.

Der Ball liegt nun im Wirtschafts- und Finanzausschuss der Euroländer. Dieser hat zwei Wochen Zeit und muss bis spätestens 19. Juni entscheiden, ob er die Einschätzung der Kommission zu Italien teilt und ein Defizitverfahren eingeleitet wird.

Italien entkam Ende vorigen Jahres nur knapp einem Strafverfahren aus Brüssel. Das Land habe seither aber keine ausreichenden Gegenmaßnahmen getroffen, hieß es am Mittwoch aus der EU-Kommission, daher wurde das Schuldenstrafverfahren nun empfohlen. Am Ende könnten dem wirtschaftlich schwer gebeutelten Mittelmeerland Strafen in Milliardenhöhe drohen.

Italiens Schuldenquote (das ist das Verhältnis der Staatsverschuldung im Vergleich zur Wirtschaftskraft) betrug 2018 mehr als 132 Prozent. Das ist die zweithöchste Verschuldung in der Europäischen Union – nach Griechenland – und eine der höchsten in der Welt. Die Schuldenlast beträgt etwa 2,3 Billionen Euro. Nach den Maastricht-Kriterien sind in Europa eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent und eine Gesamtverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erlaubt. (Reuters, bpf, 6.6.2019)