In Österreich herrscht breiter Konsens darüber, dass die Minderheit der Raucher keinen besonderen Schutz braucht.

Foto: Veronika Huber

Rauchen ist in Österreich ein Minderheitenprogramm. Und es herrscht breiter Konsens darüber, dass die Minderheit der Raucher keinen besonderen Schutz braucht. Diese Einsicht hat mehrere Jahrzehnte gebraucht, um sich durchzusetzen.

Begonnen hat es 1981 mit der vom damaligen Gesundheitsminister Herbert Salcher (SPÖ) gestarteten und sehr freundlich angelegten "Ohne Rauch geht's auch"-Kampagne. Der Minister betonte damals, dass diese Kampagne keineswegs gegen Raucher gerichtet, sondern nur eine freundliche Erinnerung sei. Nach und nach wurden die Tabaksteuern erhöht, das Tabakgesetz verschärft und die Raucherbereiche in öffentlichen Gebäuden erst eingeschränkt und dann weitestgehend abgeschafft – aber stets die angeblich freie Entscheidung der mehr oder weniger nikotinsüchtigen Raucher hochgehalten. Schlupflöcher hier, Raucherbereiche dort.

Dabei hat sich die Haltung der Bevölkerung langsam, aber sicher gedreht – wobei der Wendepunkt wohl war, dass ab dem Tabakgesetz 1995 der Fokus der Diskussion weg von den Gesundheitsrisiken für Raucher hin zum Schutz der Nichtraucher vor Rauchbelästigung verlagert wurde.

Zu Jahresbeginn 2019 ergab eine Market-Umfrage für den STANDARD, dass auf einer fünfteiligen Skala 40 Prozent der Wahlberechtigten dem Rauchverbot in der Gastronomie die Priorität eins einräumen. Das detaillierte Zahlenmaterial zeigte, dass die Mehrheiten für das Rauchverbot in Lokalen ziemlich unterschiedlich zusammengesetzt sind: Die höchste Priorität genießt der Nichtraucherschutz bei Wählerinnen und Wählern von SPÖ, Neos und Grünen.

Laxen Raucherregelung

Bei den Wählern der Freiheitlichen ist es umgekehrt: 42 Prozent von deren Anhängerschaft vergeben für das Rauchverbot die Prioritätsnote fünf, von weiteren 13 Prozent kommt ein Vierer dazu. Es ist aus dieser Sicht verständlich, dass die FPÖ – die wohl über ähnliche Umfrageergebnisse verfügt – sich bei der Bildung der nun geplatzten Koalition für die Interessen der Raucher starkgemacht hat. Dass das eigentlich seit über einem Jahr fällige Rauchverbot in der Gastronomie gekippt wurde, lag ja ganz im Interesse der freiheitlichen Wählerschaft. Dass bis heute in vielen Lokalen geraucht werden darf, lag auch im Interesse jener Wirte, die diese Lokale betreiben; diese Wirte haben auch in Wirtschaftskammer und ÖVP-Wirtschaftsbund eine starke Stimme.

Die ÖVP war daher im Vorjahr recht froh, den Koalitionspartner FPÖ als Ausrede gegenüber ihren eigenen Wählern zu verwenden: Um wichtigere Dinge beschließen zu können, hat man der laxen Raucherregelung zugestimmt. Es war halt eine Koalitionsbedingung. Dass ein kleiner, aber wichtiger Teil der eigenen Funktionäre mit eigenem Gastrobetrieb raucherfreundlich war und wohl auch noch ist, wollte man nicht allzu laut sagen.

Am liebsten wäre es der ÖVP ja, wenn der Verfassungsgerichtshof das Rauchverbot erzwingen würde. Bis dahin gibt es für die ÖVP keine Eile: Zuzugeben, dass es ein Fehler war, die Raucherkoalition zu schließen, kommt für Sebastian Kurz und seine Truppe nicht infrage. Gerne würden sie sich die Zustimmung zum Nichtraucherschutz durch ein Verfassungsgesetz, das teure Wahlzuckerln verbietet, abkaufen lassen. Das gefällt den anderen Parteien nicht. Also vertröstet auch die ÖVP: Irgendwann würde man einem Antrag zum Rauchverbot wohl zustimmen. Aber nicht gleich jetzt. (Conrad Seidl, 6.6.2019)