Es ist kein Zufall, dass schon die erste Kurzzeitregierung nach dem politischen Ibiza-Erdbeben – jene mit Innenminister Eckart Ratz – eine türkis-blaue Maßnahme aus dem Flüchtlingsbereich zurücknahm. Die 1,50-Euro-Stundenlohn-Verordnung für gemeinnützige Jobs von Asylwerbern war nicht nur ein Last-Minute-Alleingang von Ratz' Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ). Auch von der Sache her drückte sie jene Mischung aus Verachtung, Hohn und Kalkül aus, die der blaue Ressortchef Flüchtlingen entgegenbrachte und gegen die Bundeskanzler Sebastian Kurz nichts Wahrnehmbares unternahm. In der Öffentlichkeit kam das einer Zustimmung gleich.

Die 1,50-Euro-Verordnung zu kippen war aus sachlichen und polithygienischen Gründen also bitter nötig.

Kickl, nun FPÖ-Klubobmann, sieht das anders: Beschlüsse wie die sogenannte Remuneranten-Verordnung würden dem Wählerauftrag aus der Nationalratswahl 2017 entsprechen, sagte er. Nun gelte es, den von ihm eingeschlagenen Kurs samt Lehrlingsabschiebungen, "Ausreisezentrum"-Schildern und Präventivhaftplänen "gegen linksgrüne und linksschwarze Zurufe" zu verteidigen. Er meint wohl bis zu einer Wiederauflage der ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit nach der Wahl im September, die auf Basis aktueller Umfragen nicht unwahrscheinlich ist.

Verzicht auf Flüchtlings- und Ausländerhetze

Für ein Österreich, das die Menschenrechte nicht nur knapp und formal, sondern auch inhaltlich hochhält, wäre das jedoch keine gute Lösung. Lange Zeit waren unter Türkis-Blau Kickls "Stutzt den Flüchtling"-Vorstöße die lautesten Äußerungen der Regierung. In der Bevölkerung stachelten sie die Emotionen an: viele dafür, etliche dagegen.

Was aber tun, um solchen atmosphärischen wie völker- und europarechtlichen Verwerfungen zu entgehen? Dem aktuellen wie den künftigen Innenministern hilft da nur eines: Sie müssen auf Flüchtlings- und Ausländerhetze verzichten, ja, den Mut haben, allenfalls gegenzusteuern.

Zwar erscheint das in einem Europa, in dem sich – wie jetzt in Dänemark – sogar Sozialdemokraten zu Fremdenbashing herablassen, wie Schwimmen gegen den Strom. Und in Österreich ist, wie die Erfahrung zeigt, mit derlei Sündenbocksuche besonders leicht Politik zu machen: Jeder Kriminalfall mit einem Flüchtling als Verdächtigem ist dazu gut. Doch andererseits hat Österreich im Ländervergleich besonders lange Erfahrungen mit rechten Populisten. Das könnte das Land prädestinieren, früher als andere Wege zu finden, um sich aus deren Würgegriff zu winden.

Auch inhaltlich spricht vieles dafür, dem Flüchtlingsthema den Status als Daueraufreger zu entziehen. Die Asylantragszahlen sind EU-weit trotz des jüngsten Anstiegs niedrig, sodass sich in den Einzelstaaten die Herausforderungen in Grenzen halten. In Österreich könnte das Chancen eröffnen, Experten an einer Stärkung fairer Strukturen arbeiten zu lassen. Ein Bereich wäre die Rechtsberatung für Asylwerber, die unter Türkis-Blau den NGOs entzogen und dem Innenministerium unterstellt wurde. (Irene Brickner, 10.6.2019)