Moskau/Wien – Reporter ohne Grenzen Österreich (ROG) fordert die Freilassung des regierungskritischen Investigativjournalisten Iwan Golunow, der am Donnerstag von russischen Behörden inhaftiert und des Drogenbesitzes und -handels bezichtigt wurde. Hinter den Vorwürfen wird politische Motivation vermutet, teilte ROG am Dienstag mit.

102.000 Unterschriften zählte die Onlinepetition, die Golunows Freilassung fordert, am Sonntagnachmittag bereits. Erstmals in ihrer Geschichte titelten drei russische Zeitungen "Wir sind Iwan Golunow" auf ihren Coverseiten. Die Welle der Solidarität, die Golunow binnen kürzester Zeit ereilt, mache deutlich, wie angesehen der Journalist in der russischen Zivil- und Mediengesellschaft sei und wie überzeugt diese von seiner Unschuld seien.

Mundtot machen

"Das sind die üblichen Methoden, professionell investigative JournalistIinnen mundtot zu machen", erklärte ROG-Präsidentin Rubina Möhring zu den Geschehnissen. Zuerst würden bei diesen Drogen versteckt, dann plötzlich gefunden und schon seien die betroffenen Kollegen angeblich in der Drogenszene tätig. "In einem der mächtigsten und größten Länder der Welt müssen JournalistIinnen die Möglichkeit haben, auch das Handeln der Machthaber zu hinterfragen. Solidarität mit Golunow ist wichtig als Zeichen eines starken Widerstandes und lauten Protestes gegen ungerechtfertigte Strafmaßnahmen".

Der 36-jährige Golunow ist bekannt für seine regierungskritischen Recherchen, zuletzt war er für das Onlineportal "Meduza" tätig. Er setzte sich mit Themen wie Korruption, zuletzt mit dem rasant anwachsenden Vermögen des Moskauer Vizebürgermeisters und den dubiosen Machenschaften des russischen Bestattungswesens auseinander. Nach Golunows Festnahme am Donnerstag wurde er am Samstagabend zu Hausarrest verurteilt. Wird Golunow verurteilt, drohen ihm zehn Jahre Haft.

Ungereimtheiten

Der Polizei zufolge wurden bei Golunow drei Gramm der Droge Mephedron und mehr als fünf Gramm Kokain in einem Rucksack gefunden. Fragwürdig sei dieser Vorwurf ob der Tatsache, dass untergeschobener Drogenbesitz von russischen Behörden gerne als Grund für eine Verhaftung genutzt wurde, so ROG. Die Organisation verweist auf Ungereimtheiten bei der Festnahme, die Anlass gäben, die Vorwürfe zu hinterfragen: So musste der Journalist im Polizeiauto warten, während Beamte seine Wohnung und seine Habseligkeiten durchsuchten. Nach zweitägiger Gefangenschaft wurden von Notärzten eine Gehirnerschütterung, Rippenbrüche und mehrere blaue Flecken und Hämatome an Golunow festgestellt. Der Vorwurf der Folter durch Polizeibeamte wird von seinen Anwälten untersucht. Russische Medienmacher sehen in den Vorfällen eine klare Drohung an den unabhängigen Journalismus Russlands, erklärte ROG. (APA, 11.6.2019)