Kann ein Computerprogramm Wissen besser vermitteln als ein Mensch? Diese Frage wird aktuell in China gestellt. Letzten August nahmen dort tausende Kinder an einem Test teil, der zeigen sollte, wer bei der Wissensvermittlung die Nase vorn hat – Technik oder Mensch: Es zeigte sich, dass jene Schulkinder, die Rechenaufgaben von einer Software erklärt bekamen, sich um 5,4 Punkte verbesserten, während die sich von Menschen unterrichteten Kinder nur um 0,4 Punkte steigerten.

Werden zahlreiche asiatische Kinder schon bald von einer Computersoftware unterrichtet?
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Hinter den digitalen Lehrkräften steckt ein millionenschweres chinesische Start-up namens Squirrel AI mit Sitz in Schanghai, gegründet 2014. Die Betreiber geben an, jedem Kind einen individuell abgestimmten Lernplan sowie die bestmögliche Onlinebetreuung zur Verfügung stellen zu wollen – adaptives Lernen genannt. Zum Einsatz kommen intelligente Algorithmen, die Kinder fünf- bis zehnmal effektiver lernen lassen sollen als im klassischen Unterricht. Das Unternehmen setzt dafür bald auch auf Gesichtserkennungssoftware, die die Emotionen der Kinder analysiert und erkennt, wer von bestimmten Aufgaben frustriert, gelangweilt oder elektrisiert ist. Das Lerntempo wird so an jedes Kind angepasst.

Schneller, weiter, schlauer?

Ein Gesichtsscan reicht aber nicht, um Intelligenz und Bildung eines Kindes umfassend zu beurteilen – zur Einstufung muss ein Test absolviert werden, der Stärken und Schwächen erkennt. Das Programm analysiert, wie lange die Beantwortung der Fragen dauert und welche Muster hinter Denkfehlern stecken. Alles wird ins User-Profil integriert. Die Software verbindet den Inhalt aller chinesischen Schulbücher und macht daraus mehr als 400.000 Onlinekurse mit zehn Millionen Fragen.

Gesichtserkennung im Schulalltag ist in China längst Realität.

Ziel sei, dass Kinder mehr und schneller lernen, sagt Squirrel-AI-Gründer Derek Haoyang Li, als Schüler Gewinner der nationalen Mathematik-Olympiade. Er glaubt, dass der Einsatz von KI die Bildungschancen in Asien demokratisieren kann. Derzeit wird sein Programm (noch) nicht im regulären Schulsystem verwendet, sondern "on top" von Kindern in der schulfreien Zeit. Meistens passiert das zu Hause online – immer öfter aber in eigenen Bildungszentren. 1700 davon wurden in mehr als 200 Städten eröffnet, darunter New York. Auch mit renommierten Unis wie Berkley gibt es Kooperationen; 3000 Lehrkräfte überwachen die Fortschritte der Lernenden – Vorgaben und Ziele kommen von der Maschine.

Derek Haoyang Li gibt einen Einblick in seine Gedankenwelt.
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Während Bildungsexperten die Stärken adaptiven Lernens eher in der Wiederholung von bereits Gelerntem sehen, ist Squirrel-AI-Chef Li überzeugt, dass KI-Lernsysteme Lehrpersonen mittelfristig ersetzen werden, sodass diese nur mehr eine begleitende Rolle bei komplexen Herausforderungen einnehmen. (faso, 14.6.2019)