Als Mehrheitsrecht ist die Ministeranklage totes Recht, meint Jurist Noll.

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Wien – Minsteranklagen bedürfen einer parlamentarischen Mehrheit – und diese ist bei einer aufrechten Koalition de facto ausgeschlossen. Das wollte die Liste Jetzt ändern. Aber: Eine Ministeranklage als parlamentarisches Minderheitsrecht wird es bis auf Weiteres in Österreich nicht geben. Ein entsprechender Vorstoß der Liste Jetzt, der auch von SPÖ und Neos unterstützt wurde, blieb am Donnerstag im Nationalrat in der Minderheit. Die ÖVP warnte vor einer inflationären Inanspruchnahme des Instruments aus parteitaktischen Gründen, die FPÖ wiederum zeigte sich grundsätzlich gesprächsbereit, meinte aber, der Antrag komme vor dem Hintergrund der aktuellen Übergangsregierung zur falschen Zeit.

Totes Recht

Abgeordneter Alfred Noll (Jetzt) wollte mit seinem Antrag bereits einem Drittel der Abgeordneten die Möglichkeit einräumen, Regierungsmitglieder wegen schuldhafter Rechtsverletzungen im Zuge ihrer Amtsführung beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen. Nach der derzeitigen Regelung brauche es einen Mehrheitsbeschluss, was dazu führe, dass die Ministeranklage in der Praxis totes Recht bleibe, gab er zu bedenken.

Im Übrigen verwies Noll auf das Beispiel der Untersuchungsausschüsse, wo sich das Minderheitsrecht bewährt habe.

SPÖ für Minderheitsrecht

Die Missachtung des Parlaments in den letzten 17 Monaten habe seine Fraktion bewogen, dem Antrag zuzustimmen, erklärte SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. So habe die Regierung Kurz etwa bereits Vollzugshandlungen erlassen, noch bevor die zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen in Kraft getreten seien, gab Wittmann zu bedenken und sprach von vorsätzlicher Verfassungswidrigkeit.

Nun gelte es, wieder zur Politik des Konsenses zurückzukehren. Sein Fraktionskollege Johannes Jarolim bezeichnete eine Ministeranklage ohne Minderheitsrecht als zahnlos und interpretierte das Umschwenken der FPÖ als klares Signal in Richtung einer neuerlichen Zusammenarbeitet mit der ÖVP.

Kritisch äußerte sich hingegen die ÖVP zur Initiative Nolls. Es gebe bereits ausreichend Kontrollinstrumente des Parlaments gegenüber der Regierung, führte Wolfgang Gerstl (ÖVP) ins Treffen. Bei der Ministeranklage als Minderheitsrecht bestehe die Gefahr einer überbordenden Inanspruchnahme durch die Opposition, die letztlich zu Instabilität führen könnte. Der Verfassungsgerichtshof sollte nicht eingesetzt werden, um Politik zu machen, pflichtete ihm Klaus Fürlinger (ÖVP) bei, der seinerseits vor einer Kriminalisierung der Politik warnte.

FPÖ will nach den Wahlen verhandeln

Dieses an sich richtige Signal komme zur falschen Zeit, zumal damit der gegenwärtigen Übergangsregierung eine Rute ins Fenster gestellt würde, begründete Philipp Schrangl (FPÖ) die Ablehnung seiner Fraktion. Man sei aber in dieser Frage ab Herbst, wenn wieder eine neue Regierung angetreten ist, durchaus gesprächsbereit, kündigte er an.

Für Vizekanzler Clemens Jabloner besteht noch Diskussionsbedarf. Die Ministeranklage als Minderheitsrecht würde die Ministerverantwortlichkeit zwar erleichtern, das Verhältnis dieser Maßnahme zu den normalen Rechtsschutzwegen müsste aber noch geklärt werden, merkte er an. (red, 12.6.2019)