Budapest – Die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA) fürchtet um ihre Unabhängigkeit und verteidigt diese vehement seit Monaten. Nun allerdings scheint die Orbán-Regierung den Druck auf die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Institution weiter verstärkt zu haben: MTA-Generalsekretär Adam Török fürchtet um das Schicksal der 15 Forschungsinstitute der Akademie, die jetzt durch eine neue Gesetzesnovelle in eine Stiftung ausgegliedert werden sollen. Die Entscheidung liegt demnach nun in den Händen der ungarischen Parlamentsabgeordneten.

"Wir wissen nicht, wie es ausgeht, wir können die Abgeordneten nicht beeinflussen". Török erinnerte daran, dass die Akademie den Gesetzentwurf über die Ausgliederung der Institute per Mail erhalten habe, und zwar nur 54 Minuten bevor dieser im Parlament eingebracht wurde. Diese Zeit stand demnach der MTA für eine Meinungsbildung zur Verfügung.

Schwindende Hoffnung

Hoffnungen für einen Verbleib der Forschungsinstitute gebe es kaum angesichts der Zwei-Drittel-Mehrheit der Regierungspartei Fidesz. Das neue System, das letztlich einer Zerschlagung der Institution gleich kommt, soll ab September in Kraft treten, verbunden mit einer Vielzahl offener komplizierten Fragen, erinnerte Török.

Proteste gegen den Plan der Regierung von Premier Viktor Orban haben bisher nur wenig Wirkung erzielt. Zugleich betonte der Generalsekretär die ausländische Solidarität mit der Akademie, auch seitens Österreichs. Zugleich habe auch die Europäische Kommission eine Botschaft an die ungarische Regierung gesandt. Wenn diese mehr Geld wolle für Forschung und Entwicklung von der EU, dann sei die geplante Auslagerung der Institute der MTA dafür nicht unbedingt dienlich. "Diese Einrichtungen gelangen praktisch gesehen in ein staatliches System, in das in der Regel keine Forschungsgelder fließen."

Ungarisches Braindrain

Török befürchtet angesichts der Situation der MTA eine Wissenschafter-Flucht ins Ausland. Wissenschafter hätten Ungarn bereits verlassen und viele einen solchen Schritt ankündigt. "Verschiedene Kollegen arbeiten an europäischen Projekten, die sie durchaus mit sich in ein anderes Land nehmen können, wie jüngst ein Soziologe, der nach Schweden zog."

Die Stimmung in der Akademie und in ihren Institutionen sei höchst angespannt, betonte der Generalsekretär. "Die Zukunft ist ungewiss, fraglich ist auch, ob die Beschäftigungsstruktur die gleiche bleibt." Török erinnerte an die internationale Anerkennung der Akademie und betonte, dass diese außerhalb der Politik stehe.

Den Brief an den Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, in dem 1300 Unterzeichner um Hilfe für die Akademie ersuchten, bezeichnete Török als Privatinitiative. "Wir wollen nicht unbedingt mit Politikern verhandeln. Denn wenn wir das taten, hatte das zumeist kein gutes Ende", betonte Török. (Red, APA, 13.6.2019)