Bild nicht mehr verfügbar.

Für Tiertransporte gilt eine Maximaldauer, die je nach Tierart und Alter zwischen 18 und 28 Stunden liegt. Das Be- und Entladen wird in Österreich seit kurzem nicht mehr mitgerechnet.

Foto: Getty Images / Kypros

Schweine, die in ihrem eigenen Kot stehend oder liegend tausende Kilometer von Österreich nach Spanien transportiert werden. Kälber, die, von der Mutterkuh noch nicht abgestillt, für 18 Stunden nur mit Wasser versorgt nach Italien gebracht werden – das ist Alltag im Tiertransportbusiness. Tierschutzorganisationen protestieren am laufenden Band. Auch das derzeit laufende Tierschutzvolksbegehren beschäftigt sich mit den horrenden Transportbedingungen von Tieren vor unserer Haustür und in Drittstaaten.

Eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2005 besagt, "dass im Interesse einer artgerechten Tierbehandlung und zum Schutz der Gesundheit der Tiere während und nach dem Transport strengere Vorschriften eingeführt werden müssen, um Leiden zu ersparen". In der Verordnung – bis heute geltendes EU-Recht – ist unter anderem genau festgelegt, wie lange der Transport von welchem Tier maximal dauern darf, bevor eine längere Ruhepause von mindestens 48 Stunden gemacht werden muss. Je nach Tierart und Alter dürfen Tiere (mit einstündiger Pause und Fütterung dazwischen) 18 bis 28 Stunden am Stück transportiert werden.

Juristische Schwachstelle

Seit neuestem werden außerdem die EU-Verordnungen vom Staat Österreich offiziell anders interpretiert als in den Vorjahren. Bisher war es in Österreich – wie auch in den Nachbarländern – üblich, das Ver- und Entladen der Tiere auf den und vom Transporter zur maximal legalen Transportdauer dazuzuzählen. Nun tut Österreich das offiziell nicht mehr. Der Grund: eine juristische Schwachstelle in der deutschen Fassung der Verordnung.

Die Verordnung unterscheidet im Deutschen nämlich zwischen "Transport" (das ist "jede Bewegung von Tieren in einem oder mehreren Transportmitteln sowie alle damit zusammenhängenden Vorgänge, einschließlich des Verladens, Entladens, Umladens und Ruhens, bis zum Ende des Entladens der Tiere am Bestimmungsort") und "Beförderung" (das ist "der gesamte Transportvorgang vom Versand- zum Bestimmungsort, einschließlich des Entladens, Unterbringens und Verladens an Zwischenstationen"). Im Klartext: Der Transport beginnt mit dem Verladen des ersten Tieres; die Beförderung beginnt, sobald der Motor des Lkws gestartet wird.

Macht das einen großen Unterschied? Ja, sagt der österreichische Tierarzt und ehemalige Tiertransportkontrolleur Alexander Rabitsch. Er geht davon aus, dass das Verladen von 200 Kälbern mindestens eine Stunde dauert. "Das Entladen wird vielleicht ein bisschen schneller gehen." In der EU-Verordnung wird sogar eingeräumt, dass das Verladen auch über vier Stunden dauern kann – zumindest gibt es für diesen Fall auch eigene Regelungen.

Ver- und Entladezeit gehört zur Transportzeit

Innerhalb der EU ist es gängiger Konsens, die Ver- und Entladezeit zur Transportzeit dazuzuzählen. "Kollegen, die Kommission und jeder Jurist, den sie fragen, wird sagen, dass Verlade- und Entladezeiten inkludiert sind", sagt Rabitsch. In einem Netzwerkdokument zu Lebendtiertransporten wurde dies unter anderem nachlesbar festgehalten. Das Dokument ist ein europäisches Konsenspapier, was bedeutet, dass alle Mitgliedstaaten – auch Österreich – dem Inhalt zugestimmt haben.

Warum werden also in Österreich Verlade- und Entladezeiten inzwischen nicht mehr eingerechnet? "Nur so bringt man etwa Kälber von Salzburg nach Spanien", so Rabitsch. Der Langstreckentransport würde sich in den legalen 19 Stunden zeitlich nicht ausgehen. Auf Anfrage berief sich das in Österreich zuständige Sozialministerium darauf, nach der Beförderungsdauer zu handeln, nicht nach der Transportdauer. Vom EU-weiten Konsens wollte man im Ministerium nichts wissen, man sei mit Veterinärbehörden der Nachbarländer "in laufendem Austausch".

Kritik an Ministerium

Thomas Waitz, Mitglied der Grünen im Europäischen Parlament, richtete bereits eine formale Beschwerde gegen das Ministerium an den zuständigen EU-Kommissar. Die Kommission wird die Praxis in Österreich also untersuchen und gegebenenfalls beanstanden. Die Chancen stehen gut, denkt Christoph Maisack, Jurist und Vorsitzender der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht.

Teil des Problems sind auch die laschen Tiertransportkontrollen. Jeder Amtstierarzt darf diese durchführen, etwa 10.000 Kontrollen gibt es im Jahr. Um diese Zahl in Kontext zu setzen: Laut aktuellsten EU-Zahlen hat Österreich um die 18 Millionen lebende Tiere, davon weit über die Hälfte zur Schlacht bestimmtes Geflügel, importiert und etwa 7,8 Millionen Tiere exportiert.

Die Anzahl der Kontrollen ist also gering im Vergleich zur Häufigkeit der Transporte. Zudem erfasst das Traces (Trade Control and Expert System) – die Onlinedatenbank der Europäischen Kommission – nur Transporte, die mindestens über eine Ländergrenze erfolgten – Fahrten innerhalb Österreichs werden nicht berücksichtigt.

Oft nur Abmahnungen

Die Kontrollen können auch in ganz unterschiedlicher Intensität durchgeführt werden – schlimmstenfalls sieht der Kontrolleur nicht ein einziges der Tiere. "Eine Tiertransportkontrolle ist grundsätzlich eine Kontrolle der Dokumente und/oder eine Kontrolle des Lkws und/oder eine Kontrolle der Tiere. Wurde bei einer Kontrolle ein Mangel festgestellt, bekommt der betreffende Transporteur in den allermeisten Fällen eine Abmahnung. Auch Strafgelder sind laut Rabitsch möglich, diese kommen allerdings billiger als eine Änderung der Praxis. (Stefanie Schermann, 14.6.2019)