Reggae-Künstler Bob Marley verstarb 1981.

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Cedella Marley (erste Reihe Mitte) feiert und leidet bei der WM mit den Spielerinnen aus Jamaika. "Ich lasse sie nicht im Stich." Im ersten Match setzte es ein 0:3 gegen Brasilien.

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Reims – Alles begann mit dem Namen Marley, wie so viele Geschichten aus Jamaika. Nur weil Skip Marley, der Enkel der Reggae-Legende Bob, im Jahr 2014 einen Flyer aus der Schule mit nach Hause brachte, dürfen die Fußballfans die "Reggae Girlz" bei der Endrunde in Frankreich bestaunen. Dass es von der Gründerzeit bis zur WM-Premiere nur fünf Jahre brauchte, ist ein Märchen der besonderen Art.

Geldprobleme

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Cedella Marley, die Mutter Skips und älteste Tochter Bobs. Als sie auf dem Zettel las, dass für die Neugründung der Frauenmannschaft gespendet werden soll, wurde sie hellhörig. Sie telefonierte von ihrem Wohnsitz in Florida aus mit der Heimat und fand heraus, dass es seit vier Jahren kein Nationalteam mehr gab. Weil der Verband JFF die Mittel gestrichen hatte.

"Die Leute beim Verband haben die Frauen im Stich gelassen. Je mehr ich nachforschte, desto wütender wurde ich", sagte Cedella Marley dem US-Sportsender ESPN: "Dass so etwas in Jamaika passiert, hat mich aber nicht überrascht. Dort wollen sie die Mädchen lieber in Badeanzügen als in Fußballschuhen sehen."

Quali geschafft

Dass der Frauenfußball im Gegensatz zum Edelfan Usain Bolt bei der JFF keinen Stellenwert genießt, weiß die Nationalspielerin Sashana Campbell nur zu gut. "Ich hatte früher Sorgen, zu gut zu werden. Denn ab einem gewissen Punkt konnte man nicht mehr spielen", beschreibt die Mittelfeldspielerin die Lage im Karibik-Staat: "Wir konnten lange nur am Wochenende trainieren und mussten unsere Trikots selbst nähen. An einen Tausch nach den Spielen war nicht zu denken, wir hatten ja kaum Trikots."

Das änderte sich mit dem Engagement von Cedella Marley, die hunderttausende Dollar sammelte und selbst aufbrachte. Nicht nur für die Fußballerinnen, sondern auch, um die Geschlechterklischees ins Wanken zu bringen. Zwar verpassten die "Reggae Girlz" die WM 2015 und Olympia 2016, aber immerhin nahmen sie dank Marley an der Qualifikation teil. Alle Beteiligten dachten, der Frauenfußball sei auf einem guten Weg, da meldete der Verband das Team 2016 erneut ab.

Cedella Marley verdoppelte daraufhin ihre Anstrengungen und verpflichtete mit Hue Menzies einen engagierten Trainer. Am Ende einer nervenaufreibenden Qualifikation sicherte sich die Auswahl nach einem Sieg im Elfmeterschießen gegen Panama das WM-Ticket. "Die Freude war riesig. Ich hatte das Gefühl, dass mein Geist meinen Körper verlässt", berichtete Marley, die die Frauen in Frankreich begleitet und nach dem 0:3 gegen Brasilien zum Auftakt Trost spendete.

Starspielerin Shaw

Der Star des Teams, das am Freitag auf Italien trifft (18.00, ARD), ist Khadija Shaw. Ihr Werdegang sagt viel über die Verhältnisse auf Jamaika aus. Die Eltern verboten ihr das Fußballspielen. Als es "Bunny" (wegen ihrer Vorliebe für Karotten) doch tat, erfand sie Geschichten, um ihr schmutziges Gewand zu erklären. Ihren Durchbruch schaffte Shaw 2017, als sie an die Universität des US-Bundesstaats Tennessee wechselte. Mittlerweile hat die 22-Jährige sogar einen Vertrag mit Nike und dem französischen Erstligisten Girondins Bordeaux in der Tasche.

Das Geld hilft aber nicht über die Familientragödien der Shaws hinweg, drei ihrer sieben Brüder wurden in der Heimat bei Bandenkriegen getötet. "Dennoch spiele ich weiter Fußball. Es hilft mir", sagte Shaw, die nach der WM eine ungewisse Zukunft erwartet: "Vielleicht macht der Verband das Team wieder dicht." (sid, hac, 13.6.2019)