Deal oder kein Deal – das ist noch immer die Frage. Dass die beiden Staatslenker einander im Juni treffen werden, gilt als ausgemacht.

Foto: APA/AFP/NICOLAS ASFOURI

Es klang, als wollte US-Präsident Donald Trump Chinas Staatschef Xi Jinping die Pistole an die Brust setzen. Er stellte ihm ein Ultimatum. Xi solle sich mit ihm am Rande des G20-Gipfels Ende Juni in Japan an einen Tisch setzen und einen Deal im Handelsstreit vereinbaren. Grundlage dafür müsse sein, was die Unterhändler vor drei Wochen vereinbart hatten, ehe – nach Lesart Trumps – die chinesische Seite mit plötzlichen einschneidenden Anpassungen den Konsens zunichtegemacht hatte. "Ich bin es, der jetzt an dem Deal festhält. Wir werden entweder einen großartigen Deal mit China zustande bringen oder gar keinen."

In diesem Fall würde er gleich nach dem Gipfel satte 25 Prozent hohe Strafzölle auf weitere China-Importe im Wert von 300 Milliarden US-Dollar verhängen, sagte Trump dem US-Sender CNBC. Zusammen mit den von ihm eben verschärften Zöllen im Umfang von 200 Milliarden Dollar wäre der gesamte jährliche USA-China-Handel betroffen.

Gelassenheit in Peking

Peking reagierte gelassen. Der Sprecher des Außenministeriums, Geng Shuang, ignorierte sie. China nehme zur Kenntnis, dass die US-Seite ein Treffen der Präsidenten anstrebe. Liang Ming, Direktor des Instituts für Internationalen Handel beim Handelsministerium geht nicht nur davon aus, dass es dazu kommen wird. "Ich glaube, dass die Möglichkeit für einen Deal hoch ist."

Das sei seine private Einschätzung, schränkte Liang die Erwartung ein. Er spreche auch nicht in offizieller Funktion. Doch es war das Außenministerium, das das Gespräch mit ihm für ausgewählte Pekinger Korrespondenten am Donnerstag arrangiert hatte. Liang ist einer der Verfasser von Dokumenten zu Chinas Handelspolitik, auch jene mit den USA.

Wahlkampf in den USA

Der einflussreiche Handelsökonom verweist auf den 18. Juni. Auf diesen Termin schaut Peking aus gutem Grund: Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA beginnt. "Trump wird an diesem Tag entscheiden", mit welcher Botschaft er über einen potenziellen Handelsdeal mit China in den Wahlkampf ziehen will.

Nach einem Jahr des Zollkriegs und elf Runden Verhandlungen bräuchten die USA inzwischen einen Deal in mancher Hinsicht stärker als China, glaubt Liang. Sein Institut hat Berechnungen angestellt. Im ersten Quartal 2019 brach das beiderseitige Handelsvolumen stark ein. Darunter fielen Chinas Exporte in die USA um 14 Prozent; die US-Exporte nach China um 32 Prozent. Das Defizit zulasten der USA weitete sich weiter aus, Verluste machten beide. Viele Unternehmen in China lagerten Teile ihrer Produktion ins asiatische Ausland aus, um den US-Strafzöllen zu entgehen. Die Schäden seien begrenzt, solange die Unternehmen nicht völlig abwandern. US-Exporteure verlieren dagegen ihre China-Märkte und Marktanteile, je länger der Konflikt dauert. So fielen etwa die Sojabohnenexporte im ersten Quartal 2019 um 80 Prozent.

Der Weg ist nicht das Ziel

Liang rechnet aber auch mit zwei anderen Varianten, wie ein Treffen Xi und Trump ausgehen könnte. Eine Option: Sie verständigen sich auf eine generelle Übereinkunft und lassen den umfassenden Deal in den kommenden zwei Monaten ausarbeiten. Das vermutet auch US-Handelsminister Wilbur Ross. CNBC sagte er, im besten Fall werde es eine Übereinkunft geben "über den Weg, wie man wieder vorankommt".

Liang hält ein völliges Scheitern während des G20-Treffens für "höchst unwahrscheinlich," auch wenn er diese Variante nicht völlig ausschließt. Peking sei auf diesen "schlimmsten Fall" vorbereitet. Würden dann alle China-Importe unter 25 Prozent Strafzölle gestellt, würde "unser Wachstum würde um 0,8 bis ein Prozent, die Exporte in die USA um 160 Milliarden Dollar fallen." Nicht eingerechnet Chinas Gegenmaßnahmen. Peking habe sie längst eingeleitet in Form von Steuern- und Abgabenerleichterungen für betroffene Unternehmen. Neue Absatzmärkte würden im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative erschlossen, Exportsteuern im Rahmen der WTO-Regelungen rückerstattet und vor allem inländische Reformen beschleunigt.

Stolpersteine

Die Signale auf beiden Seiten stehen auf Verständigung. Doch Chinas Führung verlangt von den USA, bei ihren Forderungen nach Reformen in China mehr "Respekt" zu zeigen. Peking lässt nicht erkennen, wie weit es bereit für neue Kompromisse ist, die ihr von innenpolitischen Gegnern als Einknicken vor den USA ausgelegt werden könnten. Xi schlug jüngst in St. Petersburg versöhnliche Töne an: Trotz Handelsstreits seien Chinas Interessen mit den USA "eng verwoben" eine Loslösung kaum vorstellbar. Auch mein Freund Donald Trump würde das nicht sehen wollen."

Erstmals nannte Xi Trump öffentlich "Freund". Das ließ die Zensur ändern. In offiziellen chinesischen Medienberichten kam das Wort nicht vor. (Johnny Erling aus Peking, 14.6.2019)