Foto: Wieser Verlag

In der Nacht auf vergangenen Samstag ist mein Freund, der Wiener Schriftsteller Ernst Brauner, im 91. Lebenjahr gestorben. Eine Operation, der er sich unterziehen musste, hat er nur um Stunden überlebt. Ein durch und durch außergewöhnlicher Mensch hat uns verlassen.

Hätte die Bezeichnung "ein Sir" für jemanden erfunden werden müssen, Ernst wäre es gewesen. Er war hochgebildet, ohne dies je zur Schau zu stellen. Sein Wesen war von unaufdringlicher Eleganz, die sich in seiner Kleidung und seiner makellosen Art zu sprechen widerspiegelte: in perfekt formulierten, perfekt intonierten Sätzen, ohne jedes Ah oder Äh, ohne jeden Satzbruch, "druckreif", wie man sagt.

Inhaltlich neigte er zum Understatement, eine hyperbolische Ausdrucksweise war seine Sache nicht. Er war weltzugewandt und realitätsbezogen, Eigenschaften, die er gelegentlich mit einer leisen, subversiven Ironie verband, wenn er etwa behauptete, dass er seine berufliche Karriere Hitler verdanke. Als Jugendlicher war er, weil von den Nazis als "Halbjude" klassifiziert, vom Gymnasium in eine sogenannte "Judenklasse" verbannt worden. Dort erhielt er auch Unterricht in Wirtschaftsfächern, Buchhaltung etc., was ihm beruflich zugutekam. Er konnte auf eine lange, erfolgreiche Karriere als Verlagsgeschäftsführer und Chefredakteur zurückblicken, etwa für die Österreich-Ausgabe des Stern.

Seine größte Leidenschaft galt seiner Familie, seiner Frau Beatrix und seinen Kindern, einer großen, komplexen Familie, die ihn zu einem Roman (Die Mühlfelds) inspirierte. Unter seinen untadeligen Manieren, seinem Feinsinn, der jedes Gespräch mit ihm zu einem Erlebnis machte, blieb Ernst "wild at heart". Er schrieb unablässig, fünfzehn Bände umfasst das von seinem Verlegerfreund Lojze Wieser edierte Gesamtwerk. In seinem Schreiben kombinierte er intensive Sinnlichkeit mit einem Nachsinnen über große Fragen, die die Menschheit umtreiben: Religion, das Schicksal der Alten, die Beziehung zwischen den Geschlechtern, der Tod.

Ich lernte ihn kurz vor seinem 80. Geburtstag kennen und bin dankbar für jedes gemeinsame Jahr mit ihm. Als meine Frau und ich ihn im März besuchten, verabschiedete er sich nicht mit den Worten "Danke für euren Besuch", sondern "Danke für alles". Er spürte, dass wir einander nicht mehr sehen würden. Wir werden dich vermissen, Ernst. (Christoph Winder, 15.6.2019)