Auf ihrem Büroschreibtisch stapeln sich Bücher, Bücher, Bücher: Geschenke ihrer Kollegen, von denen sich Karin Bergmann jüngst im Kasino am Schwarzenbergplatz verabschiedet hat. Nach fünf Jahren an der Spitze des Burgtheaters geht sie jetzt in Pension. Diesmal aber wirklich.

STANDARD: Sagt Ihnen diese Melodie etwas? (Spielt ein paar Takte einer Strauss-Polka vor.)

Bergmann: Ja, ich könnte mitsingen: "So ängstlich sind wir nicht." Das ist ein bisschen so, wie wenn man im Wald singt und sich selbst Mut macht. Ich hab Motti ganz gern, die helfen mir.

STANDARD: Mich wundert, dass Sie solche Motti brauchen. Gingen Sie bei Chefs wie Claus Peymann und Peter Zadek und in den Jahren nach dem Burgtheater-Skandal nicht durch ein Stahlbad?

Hat am Theater alles erlebt: Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann.
Foto: Regine Hendrich

Bergmann: Stahlbad ist eine sehr schreckliche Vokabel. Aber ich habe am Theater so viel, um nicht zu sagen alles erlebt, dass es im Berufsleben kaum etwas gibt, vor dem ich mich fürchte.

STANDARD: Die Polka erinnert Sie an Ihre Zeit mit Klaus Bachler an der Volksoper. Davor waren Sie bei den Vereinigten Bühnen gewesen ...

Bergmann: ... und zu denen bin ich ja gewechselt, weil ich dachte, das ist keine Konkurrenz für Claus Peymann, damit verletzte ich ihn am wenigsten.

STANDARD: Peymann hat trotzdem zwei Jahre lang nicht mit Ihnen gesprochen.

Bergmann: Nicht nur das. Er hat mir auch geschrieben: "Ich wünsche dir alles erdenklich Schlechte dieser Welt."

STANDARD: Und das haben Sie nicht persönlich genommen?

Bergmann: Dass ich großzügig bin, sieht man ja daran, dass er in meiner Direktorenzeit hier am Burgtheater zweimal gearbeitet hat. Ich bin in vielerlei Hinsicht großzügig.

STANDARD: Sie werden in so gut wie jedem Interview auf Peymann angesprochen, als wären Sie eine mathematische Funktion von ihm. Stört Sie das eigentlich?

Bergmann: Ja, das stört mich. (lacht) Aber es stört mich weniger als die Menschen, mit denen ich nach Peymann gearbeitet habe.

STANDARD: Was war denn eigentlich das Schönste, das Sie am Theater erlebt haben?

Bergmann: Wenn ich ganz nostalgisch bin: dass ich es als junge Frau aus einer Arbeiterfamilie im Ruhrpott geschafft habe, am Theater anzudocken. Das war für mich überlebenswichtig. Und letztlich jede gelungene Premiere, bei der man das Gefühl hat: Es stimmt zwischen oben und unten. Das, was oben auf der Bühne passiert, hat so ein Gewicht, dass es unten, bei den Zuschauern, etwas bewegt. Dass ein Austausch stattfindet. Das ist ja nicht immer der Fall.

STANDARD: Woran spürt man das?

Bergmann: Da ist etwas in der Luft, das merkt man schon vor dem Schlussapplaus. Es ist, als verändere sich der Ozongehalt im Zuschauerraum.

STANDARD: Sie waren 1996 bis 1999 bei Klaus Bachler an der Volksoper, lieben auch Musik und Oper sehr ...

Bergmann: Ja. Wenn Oper gut gemacht ist, kann sie noch viel leidenschaftlicher sein als unser Metier, nicht nur was die Stimme betrifft, sondern auch das Spiel. Was Musiktheater betrifft, bin ich eine liebende Dilettantin.

STANDARD: Gert Voss sagte einmal, Oper erfasse einen tiefer als Theater. Sehen Sie das auch so?

Bergmann: Nein. Für mich ist die höchste Form der Erotik Sprache, das wichtigste Sexualorgan sitzt zwischen den Ohren. Klar, die Musik, die kann leichter verführen, aber meine Passion ist schon das Sprechtheater.

Thomas Bernhard bei der Uraufführung von "Heldenplatz" 1988 am Wiener Burgtheater.
Foto: Cremer

STANDARD: Sie kamen 1986 mit Peymann an die Burg. 1988 entzündete sich an der Uraufführung von Thomas Bernhards "Heldenplatz" ein Skandal. Was dachten Sie, als die "Krone" das Burgtheater auf Seite eins per Fotomontage in Flammen aufgehen ließ?

Bergmann: Ich fand das in höchstem Maße fahrlässig, denn man weiß ganz genau, wie man Menschen auf Ideen bringen kann. Aber in Österreich passiert auch heute noch vieles, was in Deutschland unvorstellbar wäre. Manches ist großartig, manches so, dass ich versuche, mich zurückzulehnen und mir zu denken: "Bergmann, du bist hier nur Gast. Schau's dir an wie Theater." Ich darf ja nicht wählen hier.

STANDARD: Sind die jüngsten politischen Geschehnisse in Österreich nicht großes Theater? Ich mag ja die Auftritte unseres Bundespräsidenten sehr.

Bergmann: Er ist derzeit der stärkste Protagonist. Aber er hatte immer schon Größe: Am Abend seiner Angelobung kam Van der Bellen noch für zehn Minuten zu einer Veranstaltung mit André Heller hier im Haus. Als er die Bühne betrat, stand das gesamte Publikum auf und applaudierte. Ich glaube, das wird er nie vergessen. Er füllt seine Rolle großartig aus, bei anderer Besetzung wäre das alles ein Trauerspiel.

STANDARD: Voss meinte auch, Politiker seinen die allerbesten Schauspieler, weil sie sich ihre Rolle aussuchen können. Können Sie dem etwas abgewinnen?

Bergmann: Ich finde nicht, dass sie sich ihre Rolle immer aussuchen können. Oftmals geraten sie da rein, wechselt der Akt so unvermittelt, dass sie plötzlich in einem anderen Stück sind. Das Fatale heute ist aber, dass es viele Politiker so anlegen, dass man denkt, sie spielen nur noch, statt ihre Aufgabe ernst zu nehmen und zukunftsträchtig zu gestalten.

STANDARD: Thomas Bernhard nennen Sie einen Übertreibungskünstler. In Bezug auf die jüngsten Ereignisse hierzulande trifft das mit der Übertreibung nicht zu, oder?

Bergmann: Stimmt. Wir haben vor drei Wochen Bernhard-Dramolette im Akademietheater gelesen, und die Leute haben reagiert, als ob das alles für jetzt geschrieben wäre, ganz frisch entstanden. Bernhard hatte etwas Visionäres, etwas Prophetisches. Er kannte die Österreicher und dieses Land einfach so gut.

STANDARD: Obwohl er zurückgezogen lebte?

Bergmann: Nicht nur. Wenn er gerade nicht geschrieben hat und in Wien war, kam er oft unangemeldet zu uns ins Burgtheater. Waren Peymann oder Co-Direktor Hermann Beil gerade nicht da, plauderte er viel und oft und lang mit mir und meiner Kollegin Christiane Schneider.

STANDARD: Verewigt als "Fräulein Schneider" in seinem Stück "Claus Peymann geht mit mir essen ...".

Bergmann: Genau.

STANDARD: Wenn die Realität die Fiktion übertrifft: Kann Theater dann noch skandalisieren?

Bergmann: Skandalisieren kann Theater gar nicht mehr, aber es kann die Leute wach machen und sensibilisieren. Auch mit alten Stücken, denn die großen Themen sind leider immer aktuell. Wenn Schauspieler auf der Bühne Macht verhandeln, Korruption – dann elektrisiert das die Leute. Dann reden sie drüber und stellen mehr Fragen. Das kann Theater, das soll Theater tun.

Mit ihm kam Bergmann nach Wien: Claus Peymann.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Und Sie sagten einmal, wenn Theater zeitgeistig wird, sei es zu spät dran. Warum?

Bergmann: Es ist schwer, am Nabel der Zeit zu sein, und wenn man es krampfhaft versucht, hat man schon verloren. Bernhard besaß die richtige Mischung aus großer Emotion für Österreich und Analysefähigkeit, und diese Mischung muss man haben, um Themen aufgreifen und so in Dramatik umwandeln zu können, dass sie Haltbarkeit haben. Unser Metier hat es schwer, am Puls der Zeit zu sein, Autoren können nicht so schnell schreiben, dass man sofort ein Feuilleton draus machen kann. Viele das Tagesaktuelle aufgreifende zeitgenössische Werke sind dann manchmal sehr kurzlebig. Autoren wie Ferdinand Schmalz oder Ewald Palmetshofer trauen sich, an alte Themen mit dem Blick von heute heranzugehen.

STANDARD: Isabelle Huppert sagte jüngst, Theater müsse radikal und schockierend sein, das sei das Politische daran. Hat sie recht?

Bergmann: Theater muss die Erwartungshaltung unterlaufen, Menschen auch überfordern. Irritation ist gut, Destruktion nicht. Von Schock halte ich nichts, denn der Kopf muss frei bleiben, Schock engt aber ein.

STANDARD: Sie haben das Burgtheater nach Matthias Hartmann aus der Krise geführt. Kritisiert wurde jetzt, da Sie endgültig in Pension gehen, resümierend, Sie hätten zu wenig gewagt, auch Seichtes wie die "Pension Schöller" gespielt. Ist das unpolitisches Theater?

Bergmann: Die Leute dürfen auch einmal komplette Anarchie erleben, etwas zum Lachen – aber auch das sollte mit einem Thema verbunden sein. Das ist aber in meinen Augen nahezu in jedem Stück der Fall.

STANDARD: Kränkt Sie die Kritik?

Bergmann: Nein. Zumal es ja doch ein Kriegenburg (Andreas Kriegenburg hat inszeniert, Anm.) und keine gewöhnliche "Pension Schöller" war.

STANDARD: Und wie ist es mit dem Vorwurf, die die erste Burg-Chefin habe zu wenige Regisseurinnen beschäftigt?

Bergmann: Das stimmt sicher, aber das betrifft bis auf Anna Bergmann (Direktorin am Staatstheater Karlsruhe, Anm.) alle Theater. Anna Bergmann beschäftigt nur Frauen, aber das finde ich schon wieder fast diskriminierend. Ich bin inzwischen für die Frauenquote, weil die Männer werden's sonst nicht kapieren – nur, in der Kunst wird sie so schnell nicht funktionieren. Wobei wir jetzt sogar eine Bundeskanzlerin haben und so viele Ministerinnen wie nie. Klar, wenn's schwierig wird, holt man die Frauen.

STANDARD: Kennen Sie – Sie wurden nach Aufkommen der Burgtheater-Krise als Ex-Vizedirektorin aus der Pension zurückgeholt.

Bergmann: Ja, das kenn ich.

Martin Kušej ist der nächste Burgtheater-Chef, die Bezeichnung "Burg" lehnt er eher ab.
Foto: APA/Techt

STANDARD: Die Burg macht wieder einen kleinen Gewinn, Sie übergeben das Haus mit Rücklagen an Martin Kušej. Stolz darauf?

Bergmann: Stolz? Merkwürdigerweise schaffe ich es im beruflichen Zusammenhang nicht, diese großen Emotionen für mich in Anspruch zu nehmen. Aber ich bin glücklich, dass meine Geschichte mit dem Burgtheater so ausgeht. In meinen kühnsten Träumen hätte ich mir nicht ausmalen können, das Haus so gut aufgestellt und mit so vielen künstlerischen Erfolgen übergeben zu können. Das macht mich leicht.

STANDARD: Sie kommen aus einer Arbeiterfamilie im Ruhrpott, haben als Mädchen heimlich gelesen und sich mit 15, nachdem Sie von der Schule geflogen waren, bei den Ruhrfestspielen beworben. Chuzpe oder Verzweiflung?

Bergmann: Es war eine Mischung. Ich wollte ins Theater, wäre auch Beleuchterin oder Requisiteurin geworden, nicht wissend, dass man für all das auch eine Ausbildung braucht. Ich musste also die Matura im zweiten Bildungsweg nachholen.

STANDARD: Warum sind Sie aus der Schule geflogen? Weil Sie Autoritäten ablehnten?

Bergmann: Ja, mich beeindruckten nie Rang oder Titel, sondern nur Kompetenz. Der Schule wurde ich verwiesen, weil man an mir ein Exempel statuieren wollte: Wir hatten uns auf einer Schullandwoche nachts mit Jungs getroffen. Und ich war zwar immer die Harmloseste, hatte aber eine große Klappe, und weil ich die Klassensprecherin war, warfen sie mich raus.

STANDARD: Was wäre aus Ihnen geworden, hätten Sie es nicht ans Theater geschafft? Gewerkschaftschefin? Vor der Abendschule haben Sie ja bei der Gewerkschaft gearbeitet.

Bergmann: Ja, die IG Metall wollte mich auch in Fortbildungskurse schicken – aber ich hatte andere Vorstellungen. Und ehrlich gesagt: Ich will mir gar nicht vorstellen, was aus mir ohne Theater geworden wäre, weil ich nicht weiß, ob es gut ausgegangen wäre.

STANDARD: Für ein Radiointerview aus Bad Radkersburg, wo Sie und Ihr Mann ein Haus haben, haben Sie sich das Lied "I Got You Babe" gewünscht und dazu gesagt, wenn Sie das hören, "denke ich an meinen Mann und freue mich". Sie sind 30 Jahre zusammen, sehr liebevoll fand ich das. Im Job sind Sie doch aber sehr hart?

Bergmann: Mehr als 30 Jahre erstaunlicherweise. Ich bin radikal, was Emotionen betrifft, Offenheit ist meine Waffe, und ich kann ziemlich hart sein – aber ich bin zugewandt. Letztlich bin ich aber, auch was das Berufliche betrifft, eine große Liebende. Schauspieler sind für mich die Könige. Ich geh morgens wegen ihnen ins Theater und das Publikum abends. Regisseure sind sehr wichtig, aber letztendlich lebt unser Metier von den Menschen, die auf der Bühne stehen und sich alles trauen.

STANDARD: Im jüngsten Burgtheater-Magazin wurden Künstler gefragt, warum sie ins Theater gehen. Sie gehen wegen der Schauspieler?

Ein Leben ohne Theater möchte sich Karin Bergmann lieber nicht vorstellen, für sie sei es ein Überlebensmittel gewesen.
Foto: Regine Hendrich

Bergmann: Ich gehe, weil ich, wenn es richtig gelungen ist, immer wieder das erlebe, was vor Jahrzehnten meine Initialzündung war, ins Theater zu gehen. Dass Menschen dort Themen verhandeln, die mich bewegen und bei denen es nicht selbstverständlich ist, dass man sie offen anspricht. Es erleichtert und ermutigt einen, diese Themen dann selbst anzusprechen.

STANDARD: Muss Theater wehtun?

Bergmann: Kann es, in dem Sinn, dass es einen Prozess im Zuschauer auslöst, dass ihn etwas schmerzt, er einen Mangel empfindet. Für mich ist aber entscheidend, dass Theater auch ermutigt.

STANDARD: In Wien wurde unter Joseph II. das Happy End erfunden: der Wiener Schluss. Jedes Stück musste gut ausgehen.

Bergmann: Und bestimmte Szenen durften gar nicht gespielt werden. Sehr österreichisch.

STANDARD: Sie kamen vor 33 Jahren aus Deutschland, haben Ihr Herz an Wien und Österreich verloren, sagen Sie. Ist die Theaterleidenschaft der Wiener wirklich einzigartig?

Bergmann: Ja. Theater bedeutet den Menschen etwas. Nirgendwo wird unser Metier, unsere Arbeit so wahrgenommen wie in Wien. Positiv wie negativ. Die Theaterliebe der Wiener kann schwierig sein, aber sie ist großartig. Der Hang der ganzen Nation zum Theatralen ist enorm. Österreicher haben viel Fantasie, einen Hang zur Inszenierung – mit allem Schönen und Schrecklichen, das dazugehört. Die Österreicher können sich nicht nur in allem mehr vorstellen, sondern sie trauen sich auch, es zu leben, ihre Brutalität, ihr Enflammiertsein und ihre Zuwendung zu bekunden. Und wie sprachgewaltig sie das tun!

STANDARD: Sie sagten einmal, Sie seien "verwienert". An Ihrer Sprache oder Aussprache merkt man es nicht, woran merkt man es?

Bergmann: Es geschah relativ bald, nachdem wir 1986 alle mit Peymann nach Wien gekommen waren. Damals war Österreich noch nicht bei der EU, damals wurde gerade Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten gewählt, mit dem Slogan "Jetzt erst recht". Ich dachte: In was für einem Land sind wir hier gelandet? Wir, Christiane Schneider und ich, waren dann in den ersten Jahren für Peymann als Übersetzer tätig hier im Haus, haben versucht, das, was er feldmarschallmäßig raustrompetete, verständlich zu machen. Ich wusste, wie ich mit den Menschen sprechen muss, um das hinzukriegen. Bei uns ging alles zack, zack, zack, (lacht) heute kann ich auch ein bisschen lockerlassen, weil ich weiß, dass alles so geschehen wird, wie ich das will.

STANDARD: Pomali ...

Bergmann: Genau, pomali, wie Nestroy es sagt. Dabei ist pomali der Kontrapunkt zu meinem Naturell. Aber ich glaube, ich verstehe die Wiener, und wir können uns so miteinander verständigen, dass jeder sein Gesicht behält.

Beim 2016 verstorbenen kanadischen Singer-Songwriter Leonard Cohen kommt die Burg-Chefin ins Schwärmen.
Foto: APA/AFP/Coffrini

STANDARD: Womit wir wieder bei der Sprache wären. Sie nennen sich "Hardcorefan" von Leonard Cohen. Er hat ja zuerst Bücher geschrieben und dann erst gesungen.

Bergmann: Ich habe seine Gedichte gelesen ...

STANDARD: Lieben Sie seine Musik oder seine Sprache mehr?

Bergmann: Bei ihm lieb ich auch, wie er aussah. Er war die Idealbesetzung, was mein Beuteschema betrifft. Mein Gott, da fallen mir sofort nur Jagdtermini ein. Sein Aussehen, seine Stimme und was er zu sagen hatte: Das ist es.

STANDARD: Sie flirten gern, mit Männern wie Frauen?

Bergmann: Ja, ich flirte sehr gerne. Das haben Heltau und ich im Alter herausgefunden, wie sehr wir uns da ähneln ...

STANDARD: Und jetzt flirten Sie immer mit Burgtheater-Doyen Michael Heltau?

Bergmann: Wir flirten sowieso immer. Ich finde es einfach angenehm, bei Begegnungen im täglichen Leben spielerischen Umgang miteinander zu haben, und es ist schön, wenn beide auf die Idee kommen: "Es ist nicht nur trüb. Man kann was draus machen."

STANDARD: Theater hat immer mit Abschied zu tun, sagen Sie. Weil das Gespielte verweht?

Bergmann: Theater ist dann nicht nur Abschied, wenn man es gespürt, wenn man es geschmeckt hat. Es kommt auf die innere Bereitschaft an, damit es nicht vollkommen verweht.

STANDARD: Verändert Theater dann auch?

Bergmann: Absolut. Theater hat die Chance, Dinge in Gang zu setzen im Menschen, die sie ohne uns nicht entdeckt hätten. Aber Theater kann die Menschen nicht verändern, so wenig das Regime konnten und können. Man kann Menschen nicht als Gruppe sehen: Solidarität ja, aber letztlich sind wir ...

STANDARD: ... auf uns zurückgeworfen?

Bergmann: Das sind wir immer. Dass wir letztlich allein sind, war mir schon als junger Mensch immer klar. Sogar in der größten Verliebtheit.

STANDARD: Passt zur letzten Frage: Worum geht's im Leben?

Bergmann: Um Dankbarkeit. Dankbarkeit in jeder Situation. (Renate Graber, 15.6.2019)