Holzbauer verstarb am Samstag, 15. Juni.

Foto: Standard / Heribert Corn

"Wir waren arme Schlucker, finanziell ist es uns am Anfang wirklich schlecht gegangen", sagte er einmal über seine ersten Jahre als Architekt. "Doch jeder, der irgendwann einmal mit Architektur zu tun hat, weiß, dass am allerwichtigsten in diesem Job das Geldverdienen ist." Am Samstag ist Wilhelm Holzbauer, der sich selbst nie als Künstler, dafür aber stets als Dienstleister, Geschäftsmann und PR-Profi bezeichnet hat, im Alter von 88 Jahren in Wien gestorben. Das bestätigte seine Frau Mari Izumi-Holzbauer.

Holzbauer, 1930 in Salzburg geboren, besuchte die Gewerbeschule und studierte anschließend Architektur an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse von Clemens Holzmeister sowie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Dass er die USA im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums erreichte, war großes Glück. Er war einer der Überlebenden der vor der amerikanischen Ostküste gekenterten Andrea Doria. Aus dieser Zeit in "amerigga", aus diesem "lem wiara junga godd" stammen die vielen, längst verschollen geglaubten Briefe an seinen Freund Friedrich Achleitner, die sich vor einigen Jahren plötzlich wiederfanden und die Holzbauer 2012 in seinem intensiven Büchlein myself in bosdn veröffentlichte.

Visionen und Tatendrang

Holzbauers erste Berufsjahre waren von Visionen und Tatendrang geprägt. In der "arbeitsgruppe 4" forschte er gemeinsam mit seinen drei Kollegen Friedrich Kurrent, Johannes Spalt und Otto Leitner an Weltraumschulen und anderen utopischen Projekten und realisierte bald einige, vor allem sakrale Bauten wie etwa die Parscher Pfarrkirche "Zum Kostbaren Blut" in Salzburg oder das Seelsorgezentrum Steyr-Ennsleiten. Die rund 120 Projektentwürfe der arbeitsgruppe 4 gelten bis heute als Meilensteine der österreichischen Architekturgeschichte.

1964 gründete Holzbauer sein eigenes Architekturbüro. In den Jahren 1970 bis 1973 entwickelte er mit der von ihm mitgegründeten Architektengruppe U-Bahn das Design und bis heute aktuelle Architekturleitbild für die Wiener U-Bahnen. Die Corporate Identity mit weißen Modulen und kräftigen Schmuckfarben für die einzelnen U-Bahn-Linien war so konsequent und so ikonisch, dass sie zehn Jahre später sogar von der kanadischen Stadt Vancouver für den Bau einer neuen Metrolinie übernommen wurde.

In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich Holzbauers zu einem der gefragtesten und erfolgreichsten Architekten Österreichs. Er plante die Fußgängerzone Kärntner Straße, das Landhaus Bregenz, die Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Salzburg und sogar das Rathaus und die Oper von Amsterdam, wo er zeitweise ein eigenes Büro leitete. Vier Jahre lang war Holzbauer, der in der Zwischenzeit diverse Lehraufträge hatte, Rektor der Hochschule für angewandte Kunst. Am positiven Höhepunkt seines Schaffens leistete sich der Hedonist sogar ein eigenes Restaurant. Das von 1979 bis 1989 bestehende Mattes in der Schönlaterngasse, in dem unter anderem Reinhard Gerer in der Küche stand, war das erste Haubenrestaurant Wiens.

Im Olymp des Geldverdienens

In den Neunzigerjahren wechselte Holzbauer, der mit dem Bau von lukrativen Immobilienprojekten – darunter Ringstraßengalerien, Österreichische Nationalbank, Andromeda-Tower auf der Donauplatte sowie etliche Bankgebäude entlang der Lassallestraße – im Olymp des Geldverdienens angekommen war, von der hellen auf die dunkle Seite der Macht. Bei einigen Wettbewerben wie etwa dem Konzert- und Kongresshaus in Konstanz oder der 2006 eröffneten Salzburger Festspielstätte "Haus für Mozart" entpuppte sich Holzbauer als schlechter Verlierer. Mit List, Kalkül und politischer Verbandelung gelang es ihm immer wieder, die erstplatzierten Sieger vom Sockel zu schmeißen und sich als Nachrücker und Zweitplatzierter so weit in Position zu rücken, bis er den einen oder anderen Auftrag entgegen der Juryentscheidung schließlich selbst an Land zog.

"Man muss sich eben wehren können", sagte Holzbauer, der 2000 sogar mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet wurde, in einem Standard-Interview anlässlich seines 80. Geburtstags. "Let’s face it! Die ersten Preise sind nicht immer die besten. Das ist ja alles ein abgekartetes Spiel. Ich weiß mich halt zu wehren. Ich baue auch dann, wenn ich nicht gewinne. Aber dieses Freispiel hat es im Laufe der Geschichte immer schon gegeben. Sonst würden unsere Städte heute anders aussehen."

Holzbauer, der in seinem Leben mehr als 500 Bauten realisierte (darunter sogar ein Bühnenbild 1999 für Franz Lehárs Die lustige Witwe an der Wiener Staatsoper), verstand es, einen riesengroßen Bogen zu spannen und das gesamte Spektrum des Bauens auszufüllen – von konstruktiven Visionen zu Beginn seiner Karriere bis hin zu destruktiven Machenschaften in den letzten Jahrzehnten. "Ich bekenne mich zu einer Architektur, deren Wurzeln in einer pragmatischen Grundhaltung liegen und nicht in einer ideologischen", sagte er. "Das ist kein Beruf, in dem Freundschaften geboren werden. Und ich… ich habe mir in meinem Leben ziemlich viele Feinde gemacht." Holzbauer war der prägende, kontroversielle Kopf einer Epoche, die sich langsam dem Ende neigt. (Wojciech Czaja, 16.6.201)