Wien – Während seiner Nichtwahlkampftour durch Österreich fand Altkanzler Sebastian Kurz am Wochenende auch Zeit, sich im Rahmen der Veranstaltung "Awakening Austria" zum gemeinsamen Gebet in der ausverkauften, aber dennoch nicht voll gefüllten Wiener Stadthalle einzufinden. Ben Fitzgerald, der "leidenschaftliche Liebhaber von Jesus und Leiter von Awakening Europe und Godfest Ministries", wie es auf der Homepage des veranstaltenden Vereins heißt, hielt dabei ein "Segensgebet" für Sebastian Kurz.

"God we thank you so much for this man, for the wisdom you have given him."
KATH.NET - Katholische Internetzeitung

"Vater, wir danken dir so sehr. Für die Weisheit, die du ihm gegeben hast. Für das Herz, das du ihm gegeben hast für dein Volk," sprach Fitzgerald, der Jesus bei einer Begegnung im Jahr 2002 kennenlernte, als er mit Drogen dealte. Die Aufrichtigkeit von Kurz richte die Nation auf, und man bete dafür, dass ihm "gerechte Führung" zuteil werde.

Fitzgerald ist laut Eigendefinition tief davon überzeugt, "dass die Zukunft der Nationen von Europa durch radikal Glaubende verändert wird, die frei leben und Jesus mutig bekannt machen".

Jesus treffen

Der Verein Awakening Europe will sehen, "wie viele Christen befähigt, ausgerüstet und bereit sind!" Um das zu erreichen, veranstalte man Festivals, "die darauf ausgerichtet sind, dass Menschen Jesus begegnen", heißt es auf der Homepage. Auch zu vermeintlichen "Heilungen" durch Gebete soll es bei der Veranstaltung gekommen sein.

Der Altkanzler hielt auch eine Rede.
KATH.NET - Katholische Internetzeitung

Kurz richtete nach dem Gebet für ihn auch ein paar Worte an die Gläubigen in der Stadthalle. Er sagte, es sei ihm eine große Ehre und Freude, hier zu sein. Er bedankte sich bei Kardinal Schönborn sowie Ben Fitzgerald für die Gebete "für Österreich und die neun Bundesländer". Inspiriert von seiner Reise durch diese Länder zitierte er dann auch einige Beispiele österreichischer Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Es sei eine Gesellschaft, in der "Glaube eine Rolle spielt".

Sebastian Kurz sagt am Montag, das Gebet sei eine spontane Aktion gewesen, von der er selbst überrascht wurde.
DER STANDARD

Rückeroberung Europas

Etienne Berchtold, der Sprecher von Kurz, twitterte am späten Sonntagabend, dass das Gebet eine spontane Idee von Ben Fitzgerald gewesen sei. Fürbitten für Verantwortungsträger seien bei ökumenischen Veranstaltungen zudem üblich. Und das Lob von Fitzgerald könnte man sich nicht aussuchen, so Berchtold. Altkanzler Kurz bedankte sich jedenfalls noch auf der Bühne bei Fitzgerald für die Einladung.

Den Australier Ben Fitzgerald, der in Interviews in der Vergangenheit immer wieder von spirituellen Visionen und einem Auftrag Gottes, "Europa zurückzuholen", sprach – just als er etwa in Nürnberg auf jenem Feld stand, wo Hitler einst vor 150.000 Menschen eine Rede gehalten hatte –, habe Kurz vorher noch nie getroffen, so der Sprecher des ÖVP-Obmanns.

Kritik kam unter anderem von Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Sie meinte Kirchen sollten sich davor hüten, "sich vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, egal welcher Partei." (faso, 16.6.2019)