Ein Grundprinzip der Sozialversicherungsreform lautete: Die roten Gewerkschafter dürfen keine Mehrheit mehr haben. Die Gremien wurden entsprechend umgebaut.

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Wien – Nach außen hin sieht alles nach einer klassisch österreichischen Lösung aus. Die neue Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) hat vergangene Woche ein vierköpfiges Management bestellt. Generaldirektor wird der schwarze Bernhard Wurzer, seine drei Stellvertreter sind Alexander Hagenauer (SPÖ), Rainer Thomas (ÖVP) und Georg Sima (ÖVP, aber von der FPÖ ins Rennen geschickt).

Die vier, die 153.221,04 Euro (Direktor) bzw. 136.196,48 Euro (Stellvertreter) pro Jahr verdienen, werden ab Juli die Geschäfte der ÖGK führen. Ein nicht unheikles Unterfangen, müssen sie doch die von der türkis-blauen Regierung verordnete Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen umsetzen.

Rote Gewerkschafter stimmten dagegen

Wer aber angesichts eines schwarz-blau-roten Managements von einem Personalpaket ausgeht, das bei allen auf Begeisterung stößt, der irrt. Im sogenannten Überleitungsausschuss, der die Entscheidung traf, ging die Abstimmung nur knapp mit sieben zu fünf aus. Neben den sechs Dienstgebervertretern war auch der Vertreter des ÖVP-Arbeitnehmerbundes für das neue Management, die fünf FSG-Vertreter votierten geschlossen dagegen.

Es zeigt sich also, dass die von der mittlerweile aufgelösten Koalition beschlossene Machtverschiebung zulasten der roten Gewerkschafter (FSG) ihren Zweck erfüllt. Auch beim Rekrutierungsprozess wurde nichts dem Zufall überlassen. Zuerst wurde von Ex-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) Ingrid Nemec zur kommissarischen Leiterin der ÖGK bestellt. Sie war Sprecherin von Ex-Minister Martin Bartenstein (ÖVP) und später Sektionschefin im Familienministerium.

Hogan-Test für Bewerber

Für den Bewerbungsprozess wählte Nemec keinen klassischen Headhunter aus, sondern ein kleines Beratungsunternehmen. Auf dem Schreibtisch des Beraters landeten schließlich mehr als zehn Bewerbungen. Der Auswahlprozess wird von Involvierten wie folgt beschrieben: Die Kandidaten mussten zunächst online den sogenannten "Hogan-Test" machen, mit dem die intellektuelle Leistungsfähigkeit gemessen werden soll, und wurden zu einem persönlichen Gespräch geladen. Auf dieser Basis wurde dann vom Berater eine Reihung erstellt. Mit dem Ergebnis: Die vier Kandidaten, die schließlich auch gewählt wurden, seien mit Abstand die bestgeeignetsten.

Was allerdings im Überleitungsausschuss, also dem Gremium, das die Personalentscheidung formal und final zu treffen hatte, für Verwunderung sorgte: Der Berater schlüsselte nicht konkret auf, warum die vier besser als andere sein sollen, es wurde kein Gesamtpunkteergebnis präsentiert, es gab auch kein Hearing mit den vier Kandidaten.

Vom Vizeabteilungsleiter in Kärnten ins Direktorium

Umstritten war vor allem die Nominierung von Georg Sima. Er war bisher lediglich Abteilungsleiter-Stellvertreter in der Kärntner Gebietskrankenkasse. Unter den anderen Bewerbern sollen dem Vernehmen nach Personen mit Erfahrung als Direktoren gewesen sein, auch zwei hochqualifizierte Frauen sollen sich beworben haben, die – so sieht es das Gesetz vor – bei gleicher Eignung eigentlich bevorzugt berücksichtigt werden müssten.

Aber wie gesagt: Die vier Erwähnten wurden besser bewertet. Überprüfbar ist das kaum. Während der Sitzung durften die Ausschussmitglieder nur kurz Einblick in die Bewerbungsunterlagen und das Ergebnis des Online-Tests nehmen. Ausgeteilt wurde nichts. Die Dienstgeberseite wollte anschließend unter Berufung auf den Datenschutz sogar die Unterlagen vernichten lassen, konnte dann aber doch von den Gewerkschaftern davon abgehalten werden, für die das ein Verstoß gegen das Ausschreibungsgesetz wäre.

Abstimmung nur über Paket

Für Kritik der roten Teilnehmer sorgte auch, dass die vier Posten nur im Paket und nicht einzeln abgestimmt wurden. Dem Vernehmen nach werden nun rechtliche Schritt geprüft, weil man dieses Wahlprozedere für unzulässig hält. Schließlich habe sich jeder einzeln beworben. Laut STANDARD-Informationen will auch eine unterlegene Bewerberin klagen, weil sie sich durch die Wahl des von der FPÖ nominierten Kandidaten diskriminiert fühlt.

Der Obmann des Überleitungsausschusses, der FPÖ-Politiker Matthias Krenn, versteht die Aufregung nicht. "Es wurde ordnungsgemäß abgestimmt", eine solche Vorgangsweise sei auch in früheren Jahren "gelebte Praxis" gewesen, sagte er. In Sozialversicherungskreisen heißt es hingegen, dass in der Vergangenheit nur dann im Paket abgestimmt wurde, wenn bestehende Verträge verlängert wurden. Ein Roter kommentiert das Ganze so: Zwar gab es natürlich auch in der Vergangenheit Vorgespräche über Posten, jetzt werde aber nicht einmal mehr der Schein gewahrt.

Für Krenn ist hingegeben das Ergebnis des Beraters "über jeden Zweifel erhaben". Dieser wird demnächst noch weitere wichtige Entscheidungen vorbereiten. Er wurde nämlich auch mit der Suche nach Managementpersonal für den neuen Dachverband beauftragt. Dieser Träger wurde, wie berichtet, geschaffen, um den alten Hauptverband und dessen Chef Alexander Biach zu entmachten. Die Ausschreibung für den Dachverband läuft zwar noch, das Ergebnis dürfte allerdings auch hier bereits feststehen. Dem Vernehmen wird der bisherige Direktor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Alexander Burz, neuer Dachverbands-Direktor. (Günther Oswald, 17.6.2019)