Die SPÖ unter Parteichefin Pamela Rendi-Wagner befindet sich in einer fast ausweglosen Situation.

Foto: APA/LUKAS HUTER

Vor mehr als 35 Jahren hat Ralf Dahrendorf sein oft zitiertes Todesurteil über das "sozialdemokratische Jahrhundert" verkündet. Die Wahlerfolge der Linken in Großbritannien (Tony Blair), Deutschland (Gerhard Schröder) und Frankreich (François Mitterrand) schienen zeitweilig den gewagten Thesen des deutschen Soziologen zu widersprechen. Zuletzt erleben wir aber, auch infolge des Vormarsches der Nationalpopulisten einerseits und der diversen Grünen-Bewegungen andererseits, einen geradezu dramatischen Niedergang der Sozialdemokratie. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien. An der allgemeinen Tendenz ändern die kleinen Erfolge in Spanien oder die Tabubrüche in Norwegen kaum etwas.

Wie eine nachträgliche Bestätigung des Spruchs von Dahrendorf klingt die Feststellung des deutschen Ex-Präsidenten Joachim Gauck im "Spiegel": "Für die Sozialdemokraten ist überall im westlichen Europa eine problematische Zeit angebrochen. Das hat damit zu tun, dass sie so erfolgreich waren."

Es geht allerdings heute um viel mehr, um die strukturellen Ursachen für den Aufstieg der diversen Rechtsbewegungen als Folge eines noch "unbewältigten epochalen Umbruchs" der letzten dreißig Jahre. Die Gründe für die Erfolge der rechtspopulistischen nationalen Protestbewegungen und für die "zunehmend inhaltslos gewordene formelle Konkurrenz zwischen den etablierten Parteien "analysiert die Darmstädter Soziologin Cornelia Kopetsch in ihrer brillanten Studie "Die Gesellschaft des Zorns".

Politischer Zwerg

In diesen Rahmen fügt sich die unwiderlegbare Diagnose in Deutschland, dass die Zeit der SPD als Volkspartei vorüber ist. Der drohende Abstieg zum Status eines politischen Zwerges wird allerdings durch die beispiellos gnadenlose Demontage des eigenen Führungspersonals ungeheuer beschleunigt. Deutsche Kommentatoren weisen zu Recht auf die Tatsache hin, dass es keine Partei gibt, in der ihre jeweilige Führungsspitze mit solcher Leidenschaft vernichtet wird wie die SPD. Statt der von vielen erhofften Erneuerung in der Opposition dürften die Grünen für die absehbare Zukunft ihre führende Rolle als gemäßigte Linkspartei stabilisieren.

Und in Österreich? Auch hier befindet sich die SPÖ, jene Partei, die unter Bruno Kreisky die größte Erfolgsserie in der europäischen Nachkriegsgeschichte aufweisen konnte, in einer fast ausweglosen Situation. Die unerfahrene Spitzenkandidatin für die Herbstwahl, Pamela Rendi-Wagner, beging nach dem enttäuschenden Ausgang der Europawahl einen bedenklichen politischen Fehler durch die taktische Allianz mit der rachesüchtigen FPÖ zum Sturz des populären Kanzlers. Sie ist die mehrmals "einstimmig bestätigte" Vorsitzende eines Intrigantenstadels ohne ein Minimum an Solidarität.

Dass ihr "mit den zahllosen Messern ihrer Parteifreunde im Rücken" (Anneliese Rohrer) nun sogar vom würdelos gescheiterten Vorgänger und einstigen Gönner Kompetenz abgesprochen wurde, ist eine besonders traurige Fußnote zum selbstzerstörerischen Umgang mit jenen Frauen und Männern, die bereit sind, sich für die Sozialdemokratie zu engagieren. (Paul Lendvai, 17.6.2019)