Hat die Regierung in Wien bei der Klage gegen Deutschland beraten: Walter Obwexer.

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Der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Pkw-Maut aufgehoben. Für den Europarechtsexperten Walter Obwexer ist der Hauptgrund dafür, dass Berlin nur Ausländer zu Kasse bitten wollte. Wäre die Entlastung der Inländer nicht gleichzeitig und im gleichen Ausmaß wie die Belastung durch die Maut gekommen, wäre das Vorhaben wohl EU-rechtskonform.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs?

Obwexer: Der Gerichtshof ist bei seiner bisherigen Judikatur zum Diskriminierungsverbot und zu den Grundfreiheiten geblieben. Darauf aufbauend hat er festgehalten, dass die deutsche Infrastrukturabgabe und die Kraftfahrzeugsteuer gemeinsam zu bewerten sind. Zusammengenommen betreffen die Regelungen nur die Ausländer und nicht die Inländer und stellen daher eine verbotene Diskriminierung sowie eine Verletzung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs dar.

STANDARD: Ist das überraschend?

Obwexer: Nein, für mich war immer klar, auch in meiner Funktion als Berater der Regierung, dass wir mit dieser Klage durchkommen werden, wenn der Gerichtshof seine Judikatur nicht ändert. Dass nur bei Ausländern kassiert wird, dem hat der EuGH einen klaren Riegel vorgeschoben. Das heißt aber nicht, dass die Mitgliedsstaaten nicht auf ein nutzerfinanziertes System umsteigen dürfen.

STANDARD: Was müsste Deutschland konkret tun, um eine Pkw-Maut europarechtskonform auszugestalten?

Obwexer: Wenn Deutschland die Infrastrukturabgabe trotzdem einführen und die Kraftfahrzeugsteuer ökologisieren würde, wäre das EU-rechtskonform. Man sollte das auch zeitlich verzögert in Kraft treten lassen. Es darf nicht so zeitgleich in Kraft treten, dass die deutschen Autohalter keinen Cent mehr zahlen.

STANDARD: Sind aus dem Urteil Rückschlüsse auf das Verfahren gegen Österreich wegen der Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland möglich?

Obwexer: Da kann man gar nichts ableiten, weil es hier um Arbeitnehmerfreizügigkeit geht. Das Einzige ist, dass der Gerichtshof die Diskriminierung nun sehr streng auslegt. Von daher könnte das Verfahren auch gegen Österreich ausgehen. Allerdings haben wir im Bereich der Sozialleistungen eine viel flexiblere Judikatur. Man kann das nicht einfach umlegen.

STANDARD: Ist die Entscheidung auch ein Beweis dafür, dass der EuGH nicht vor den mächtigsten Mitgliedsstaaten in die Knie geht?

Obwexer: Das hat er ohnehin nie gemacht, und das dürfte er auch nicht. Vor Gericht müssen alle gleich sein. Ob groß oder klein, das darf keinen Unterschied machen.