Erst soll er einen Militärschlag angeordnet, dann abgeblasen haben: Trump steckt in der Zwickmühle.

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Es dauerte ungewöhnlich lange, bis Donald Trump am Freitag seine ersten Twitter-Zeilen schrieb. Normalerweise tut er das morgens gegen sechs, lange bevor er seine Privatgemächer verlässt, um sich ins Oval Office zu begeben. Diesmal herrschte auffällig lange Funkstille. Der Präsident schlief, was ahnen ließ, welches Drama sich am Abend zuvor abgespielt hatte.

Der New York Times zufolge soll Trump in der Nacht auf Freitag, eine halbe Stunde nach Mitternacht, einen Militärschlag gegen den Iran abgeblasen haben. Eine Aktion, die er Stunden zuvor selbst angeordnet hatte. Was ihn zu dem Rückzieher bewog, darüber wurde am Tag danach aufs Heftigste spekuliert. Auch noch dann, als sich Trump doch zu Wort meldete, um seine Version zu verbreiten.

Alles sei "geladen und entsichert" gewesen, um den iranischen Angriff auf eine amerikanische Drohne zu vergelten, twitterte er. Dann habe er gefragt, wie viele Menschen dabei ums Leben kommen würden. "150 Personen, Sir, war die Antwort eines Generals. Zehn Minuten vor dem Schlag habe ich ihn gestoppt." Es sei unverhältnismäßig, so auf den Abschuss einer unbemannten Drohne zu reagieren. Er habe keine Eile. Die Sanktionen gegen den Iran hätten Biss, und letzte Nacht seien neue hinzugekommen.

Im Situation Room

Ob es sich tatsächlich so zugetragen hat, vermag kein Außenstehender zu sagen. Im Wesentlichen aber bestätigte Trump den Bericht der New York Times, die sich wiederum auf hohe, namentlich nicht genannte Regierungsbeamte beruft. Nach intensiven Beratungen im Situation Room, dem bunkerähnlichen Krisenzentrum des Weißen Hauses, soll Trump am Donnerstag grünes Licht für einen Angriff gegeben haben, schreibt die Zeitung.

Demnach hätten iranische Radaranlagen und Raketenbatterien attackiert werden sollen. Flugzeuge seien bereits in der Luft und Schiffe in Position gewesen, es sei aber noch nicht geschossen worden, als der Rückzugsbefehl kam. Unklar sei, ob der Angriff nur verschoben worden sei oder Trump seinen Kurs geändert habe.

Dem Blatt zufolge sollen die Hardliner der im Situation Room tagenden Runde, Sicherheitsberater John Bolton, Außenminister Mike Pompeo und CIA-Direktorin Gina Haspel, eine bewaffnete Antwort auf den Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne durch eine iranische Rakete verlangt haben. Hohe Pentagon-Beamte – das Amt des Verteidigungsministers ist derzeit vakant – sollen dagegen aus Angst vor einer Eskalation zur Zurückhaltung geraten haben.

Der ewige Zickzackkurs

Trump im Zickzackkurs, im Konflikt mit sich selbst: Der Befund ist nicht neu. Seit er aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen ist, baut er darauf, die Islamische Republik durch ökonomischen Druck zu Zugeständnissen zwingen zu können. Nach einem Zwölfpunktekatalog Pompeos soll Teheran sowohl auf nukleare Aktivitäten verzichten als auch seinen Hilfstruppen in der Region die Unterstützung entziehen. Harte Sanktionen sollen eine solche Wirkung entfalten, dass dem Iran gar nichts anderes übrigbleibt, als sich den US-Forderungen zu beugen. Nun aber hat die iranische Führung Trump gewissermaßen in Zugzwang gebracht und ihn damit in ein Dilemma gestürzt.

Statt abzustreiten, dass die Drohne vom eigenen Militär vom Himmel geholt wurde, hat sie sich offen zu der Aktion bekannt. Teheran, so erklärt es der Iran-Experte Vali Nasr, führe Washington vor Augen, dass es sich zu wehren gedenke. Statt wirtschaftliche Daumenschrauben weiter hinzunehmen, schrecke es auch vor einer Eskalation nicht mehr zurück. Es mache deutlich, dass auch andere im Falle einer Eskalation einen Preis zu zahlen hätten.

In der Zwickmühle

Damit steckt Trump – von den Instinkten her kein Interventionist, wohl aber einer, der aus einem Showdown grundsätzlich als Sieger hervorgehen will – in der Zwickmühle. Er habe sich, kritisiert Chuck Schumer, die Nummer eins der Demokraten im Senat, selbst in eine Ecke manövriert, aus der er nur schwer wieder herauskomme. Wie auch Nancy Pelosi, die Vorsitzende des Parlaments, war Schumer zeitweise zu den Beratungen im Situation Room hinzugezogen worden.

Hinterher sagte er: "Der Präsident mag nicht die Absicht haben, einen Krieg zu beginnen, aber wir fürchten, dass er in einen Krieg taumeln könnte." Im Kongress sind es die Demokraten, die darauf drängen, das Parlament einzubeziehen, bevor ein Angriffsbefehl erteilt wird. Die Republikaner sehen es einstweilen anders: In ihren Augen hat Donald Trump freie Hand. (Frank Herrmann aus Washington, 21.6.2019)