Seit mehr als einem Jahr ist Estland in der EU, aber eine vertiefte Kenntnis dieses baltischen Landes in weiteren österreichischen Bevölkerungskreisen lässt immer noch zu wünschen übrig. Das ist bedauerlich, zumal sich das Estnische auch durch außerordentlich blumige Sprichwörter, Redensarten, Sentenzen, geflügelte Worte und verbale Umschreibungen auszeichnet. So existiert als Synonym für den Zeigefinger die "Sacknadel" (bzw. koti-nool), den Wolf nennt man auch "Wilhelm im Gesträuch" (vosa-Villem).

"Ihre Füße sind kurz" (tema jalad on lühikesed) bedeutet: Diese Frau ist schwanger. Wird sie von einem Knaben entbunden, so umschreibt man dies mit der Redewendung "Ein Bär hat die Ofendecke zerstört" (karu lautas kerise ära). "Er hat den Hopfengarten besucht"“ (tapu ajas käinud) meint: Er hat sich betrunken (wahrscheinlich mit Bier). Jemanden verprügeln heißt "mit Birkhuhnkäse die Haut scheuern und reiben" (tedre-juustuga nahka nühkima ja pühkima.) oder "die Hosen backen" (püksa küpsetama). Wenn man ein Glas mit Branntwein, aus dem bereits ein anderer getrunken hat, zurückweisen will, tut man dies mit den Worten "Ich will dein Zahnwasser nicht zurück haben" (mina ei taha sinu hamba-vett tagasi). Ist jemand schon recht alt, so sagt man "Der hat schon einen Keim im Hinteren" (juba sell on idu perses). "Dein Schwanz sei in Knoten geschlungen" (su händ olgu sõlmis) bedeutet so viel wie "Sei rasch!" oder "Beeil dich!".

Mit der Redensart "Ein Hase ist durch die Suppe gegangen" (jänes läks läbi kõrdi) beschwert man sich über eine dünne Suppe. Hat jemand die Krätze, so sagt man auch "Er hat Malz auf dem Rücken" (temal on linnaksid seljas), "sich kratzen" heißt "das Malz reiben" (linnaksid hõõruma). Hat ein Kind vergessen zu lesen, so sagt man "Das Kind hat das Buch unter den Schwanz gelegt" (laps on raamatu sava alla pannud). Und "ein schwarzes Schwein ist im Ofen" (must siga ahjus) bedeutet schließlich: Das Feuer im Ofen ist erloschen.

Weitere estnische Redensarten unter www.folklore.ee/rl/pubte/ee/vanad/aiale/2.html