Das Sirene Operntheater , der quicke Wiener Uraufführungsmotor, generiert wieder und lädt zur Präsentation seines modernen Musiktheaters namens Circus . Und obwohl sich der Begriff Moderne mittlerweile zur Unkenntlichkeit gewandelt hat, liefern Jury Everhartz (Musik) und Kristine Tornquist (Text und Regie) sowie Das Rote Orchester durchaus hippe Ansichten zum alltäglichen Kampf der Raubtiere in uns, sprich: zur kapitalistischen Kulturrevolution. Der Raubtierkäfig wird auf der mit glitzerndem Goldlametta verhangenen kuriosen Drehbühne im Jugendstiltheater zum Labor von Beziehungsverwicklungen, die Manege zum gesellschaftlichen Boulevard. Mit einem Augenzwinkern laden die Solisten um Zirkusdirektor Dieter Kschwendt-Michel zum aus sicherer Entfernung zu betrachtenden Kampf der Intrigen ein. Geschickt versteht es die Musik, dirigiert von Anna Sushon, brutalste Szenen mit süßester Musik zu unterlegen. Dann aber: Halbtonschwer trieft die Tigerin, neoklassizistisch peitschen Schlagwerk und Bläser der 16-Personen-Kapelle, barockisierend kreisen die Streichermelodien, die sich mehr und mehr in sich verdrehen, bis sie genau so verwirrend rotieren wie die Dart-Drehbühne. Wer schießt wem ins Herz? Lassen Sie sich überraschen! (henn/DER STANDARD, Printausgabe, 12.9.2006)