Das Metropol, errichtet zur Weltausstellung 1873, war eines der modernsten und mit 300 Zimmern größten Hotels in Wien. Es gab Lifte und die Zimmer hatten gepolsterte Doppeltüren, damit die Gäste völlig ungestört waren. Damit eignete sich das Hotel am Morzinplatz, das eigentlich Metropole hieß, wie kein anderes Objekt für die Geheime Staatspolizei: Am 15. März 1938, gleich nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten, wurde es Sitz der Gestapo-Leitstelle, die mit rund 900 Mitarbeitern die größte im Dritten Reich werden sollte.

Der ersten Verhaftungswellen im März und April fielen vor allem Funktionäre des austrofaschistischen Regimes, Kommunisten, Sozialisten sowie Juden zum Opfer. Die meisten wurden nicht durch das große Eingangsportal eingeliefert, sondern durch einen Hintereingang in der Salztorgasse. Von dort gab es einen direkten Abgang in den Keller, in dem sich das Gestapogefängnis befand. Viele Häftlinge wurden gefoltert, bis sie an den Folgen daran starben oder Selbstmord begingen. Insgesamt dürften mindestens 50.000 Personen in die Mühlen der Wiener Gestapo geraten sein.

1945 wurde das Hotel von Fliegerbomben getroffen. Die Fassade blieb zwar zum Teil erhalten, die Ruine wurde aber gesprengt, um einen Ort der NS-Gräuel zu tilgen. Im Leopold-Figl-Hof, der anstelle des Hotels errichtet wurde, erinnert heute eine Gedenkstätte an die Opfer. An der Hauptfront am Morzinplatz sind in einem Relief die Qualen dargestellt, die Tausende von Gefangenen auf sich nehmen mussten.

Das Metropole gehörte bis 1938 zu einer deutschen Hotelkette. Generaldirektorin Elisabeth Klein, 1933 mit ihrer Tochter A. M. aus Deutschland nach Wien geflohen, lebte in den Privaträumen des Hotels. Sie weilte zum Zeitpunkt der Machtergreifung im Ausland. Aber A. M. musste die Plünderung der Privaträume und einsetzende Arisierung des Hotels miterleben. Bei drei Hausdurchsuchungen wurde das Familiensilber geraubt und die persönliche Korrespondenz verbrannt. A. M. konnte aber drei Möbelstücke - eine Vitrine, einen kleinen Schrank und einen Schreibtisch - retten, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte (einer Familientradition zur Folge werden sie immer an die älteste Tochter der übernächsten Generation vererbt): Sie brachte diese zu ihrer Schwiegermutter, der später in Auschwitz ermordeten Olga Böhm, nach Döbling. Diese ließ die Möbel nach Australien transportieren, wohin A. M. zu fliehen gedachte.

Die "Reichsflucht" aber gestaltete sich schwierig. Denn der Schwiegervater von A. M., Adolf Böhm, war der Autor des Standardwerks Die zionistische Bewegung. Er dürfte 1941 in der Euthanasieanstalt Hartheim bei Linz umgebracht worden sein. Dennoch gelang A. M. mit ihrem Mann die Flucht: Sie lebt seit Juni 1938 in Australien - mit doppelter, also auch österreichischer, Staatsbürgerschaft.

Kürzlich vererbte sie (zu Lebzeiten) ihrer ältesten Enkeltochter die drei Möbel. Und Marianne Schulze, freiberufliche Menschenrechtskonsulentin in Wien, wollte sie in ihrer Wohnung aufstellen. Was an sich kein Problem darstellt. Aber der Rücktransport offenbart, welchen Umgang die österreichische Bürokratie noch immer mit den NS-Opfern pflegt: Das Finanzministerium verlangte für die Einfuhr Zollgebühren.

Und wollte kein Einsehen haben. Denn die von Schulze vorgebrachte "Möglichkeit, die Überschreitung der dreijährigen Rückbringungsfrist im Rahmen der Rückwarenbefreiung nachzusehen," könne, so ein Schreiben aus dem Mai 2007, "leider nicht angewandt werden, da dies nur aufgrund besonderer Umstände erfolgen darf". Zu diesen zählt das Finanzministerium "z. B. höhere Gewalt bzw. unvorhersehbare Ereignisse aber auch wirtschaftliche Gründe. Aber in jedem Fall ist damit gemeint, dass eine Rückbringung innerhalb der vorgeschriebenen drei Jahre nicht möglich war." Dies treffe jedoch in diesem Fall nicht zu: "Die Rückbringung der Möbel hätte schon viel früher erfolgen können." Eine Eingangsabgabenbefreiung komme daher "nicht in Betracht".

Marianne Schulze, die Jus studiert hatte, ärgerte sich maßlos. Und schrieb einen neuerlichen Antrag. Sie legte dar, dass ihre Familie lediglich "aufgrund einer Zwangssituation" geflüchtet war. Und dass die Möbel "evidenter Maßen" nicht bis 1941 hätten zurückgebracht werden können. Das leuchtete schließlich auch dem Finanzministerium ein: Von einer Einfuhrabgabe wurde doch noch abgesehen ... (Thomas Trenkler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.8.2007)