Foto. Cremer

Hin und wieder stoße ich bei der Lektüre von Zeitschriften, Zeitungen oder sonstigen Quellen, aus denen ich meine verbalen Novitäten schöpfe, auf ein Wörtlein, bei dem selbst mir, dem hart gesottenen Chronisten aller möglichen und unmöglichen linguistischen Absonderlichkeiten, eine Zähre der Rührung ins Auge steigt. Eines dieser Wörtchen habe ich in der Vorwoche in einer kulturkritischen Glosse in der FAZ gelesen: Das "Lebkuchenfrühchen". Gemeint sind jene armen kleinen Lebkuchen, die weit vor ihrer Zeit, im Oktober oder im September gar, von findigen Geschäftsleuten in die Regale geräumt werden, in der Hoffnung, bei sentimentalen Kunden ein paar verfrühte vorweihnachtliche Kaufimpulse auszulösen.

Eine traurige Sache, wenn dann die unreifen Aachener Printen, Basler Leckerli, Bentheimer Moppen, Pulsnitzer Pfefferkuchen oder Mariazeller Lebzelten im kalten Schein der Neonröhren fröstelnd vor sich hinschlottern. Man möchte sie streicheln, die unglücklichen Backwaren! Noch trauriger: Die Lebkuchenfrühchen stehen mit ihrem Schicksal keineswegs alleine da, auch mit Keksfrühchen, Adventkranzfrühchen und Christbaumkugelfrühchen bekommt es der Konsument in dieser Zeit tagaus tagein zu tun. Winders Wörterbuch quittiert diese beweinenswerte Entwicklung mit einem tränenfeuchten, aber aus ganzem Herzen kommenden: Schnief.