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Foto: dpa/Andreas Gebert

Eigentlich hatten wir das schon einmal, aber dass es für weite Bevölkerungskreise offenbar immer noch keine schärfere Trendsportart gibt als das Bärenbenennen, das stimmt mich nach wie vor nachdenklich. Nach dem monatelangen Knut-Fieber in Deutschland und der hysterischen Namenssuche für unseren Nationalpanda ("Fu Long", siehe dazu auch den Eintrag "Lang Lang" in diesem Wörterbuch) war in den vergangenen Wochen das jetzt "Flocke" getaufte Eisbärenbaby im Nürnberger Zoo Gegenstand einer Bennennungsbegierde, die vor der deutschen Grenze keineswegs Halt machte. "Mehr

als 50 000 Namensvorschläge", berichtet die "Welt", "gingen ein – von Neuseeland über Indien bis zu den Vereinigten Emiraten, darunter Franke, Stella, Knutschi, Sissi oder Yuki Chan."

Offenkundig scheint es so zu sein, dass jedermann, der ein paar Kuschel-, Knuddel- und Liebhab-Wünsche offen hat, diese am allerliebsten auf irgendwelchen Problembären ablädt. Dass die Kuscheligkeit und Liebenswürdigkeit des Bären in Wahrheit ein reines Projektionsphänomen ist, scheint nur denen klar zu sein, die einen professionellen Umgang mit diesen pseudopossierlichen Tieren pflegen.

Der "Süddeutschen Zeitung" habe ich am Wochenende entnommen, dass "Flocke" im internen Sprachgebrauch seiner Pfleger nicht nur "Flocke" genannt worden sei, sondern, wesentlich unsentimentaler, auch "Stinkbombe" oder "Weißwurst", wobei ich den letzten Ausdruck ja besonders treffend finde: Das phänomenologische Naheverhältnis von Eisbär und Weißwurst liegt auf der Hand, nur musste man einmal drauf kommen, es auch so ungeschminkt zu benennen. Aber wie auch immer: Der Chronist schließt seine Ausführungen mit der Ermunterung, ein paar neue bärige Beitrage zum Thema "Psychologische Hintergründe des Bärenbenennens" beizusteuern. Aber auch zur Metapherntauglichkeit von Würsten im Allgemeinen und der Weißwurst im Besonderen würde ich gerne etwas lesen. (Christoph Winder, derStandard.at/22.01.2008)